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Kommentar Integration in DeutschlandEs fehlt das Nachwuchskonzept

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Migranten werden dank der Fußball-WM nicht mehr lediglich als Problem, sondern auch als Potenzial begriffen. Der Alltags ist noch lange nicht so rosig, zeigt der Integrationsbericht.

P lötzlich hat Multikulti wieder einen guten Ruf. Dank der Erfolge, die das deutsche Nationalteam mit einer Rekordzahl an Migrantenkindern in seinen Reihen bei der Fußball-WM in Südafrika feiern konnte, werden Zuwanderer hierzulande von Medien und Öffentlichkeit nicht mehr lediglich als Problem, sondern auch als Potenzial begriffen. Und die schwarz-rot-goldene Euphorie, die in vielen deutschen Einwandererbezirken vorherrscht, macht deutlich, wie viele sich diesem Land zugehörig fühlen.

Dass der Alltag in Sachen Einwanderung noch lange nicht so rosig ist, wie es ein paar tolle Fußballspiele suggerieren, zeigt der Integrationsbericht der Bundesregierung. Zwar ist Einwanderung heute schlicht bundesdeutsche Normalität, wenn in manchen Städten bis zu zwei Drittel aller Kinder im Kita-Alter einen Migrationshintergrund besitzen.

Auch haben sich die privaten Lebenswelten vieler Zuwanderer den Normen der Mehrheitsgesellschaft angenähert, was etwa Heiratsalter, Kinderzahl oder Scheidungsrate betrifft. Andererseits werden Migranten und ihre Kinder durch das deutsche Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt weiter benachteiligt. Nicht nur haben sie es schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, sie sind auch fast doppelt so oft arbeitslos wie andere Deutsche.

Bild: taz

Daniel Bax ist Meinungsredakteur der taz.

"Dramatisch" nennt die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer diese Situation. Auf einen vergleichbar niederschmetternden Befund reagierte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) vor zehn Jahren, indem er ein neues Nachwuchskonzept initiierte. Etwas Ähnliches sollte man jetzt von der Bundesregierung erwarten. Sonst bleibt es dabei, dass sich für Migranten hierzulande im Sport und bei "Deutschland sucht den Superstar" die größten Aufstiegschancen bieten.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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3 Kommentare

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  • H
    Huss

    @Milan

    Gut, die hatten Kolonien. Deswegen sind sie also schlauer? Was folgern wir denn daraus? Sind wir blöder? Deutschland hatte auch ein paar Kolonien, offenbar nicht lange genug? Irgendwie verstehe ich die Anmerkung nicht.

  • M
    Milan

    @ Huss:

    Zur Erinnerung:Frankreich, Holland oder UK hatten Kolonien; aus diesen Gebieten hatten/haben Menschen Sonderrechte bei der Zuwanderung. Die Situation zu D ist dann doch geringfügig eine andere.

  • H
    Huss

    Guter Kommentar, aber eine Anmerkung: Die Statistik stellt akkumulierte Zahlen dar. Die Realität und der Alltag eines Menschen mit Immigrationshintergrund wird dadurch nicht erfasst. Bei Langzeitarbeitslosen schlägt die ARGE z.B. nie einen deutschen Schulabschluss oder eine duale Ausbildung vor. Warum?

    Weil es teuer ist, weil Berater dort pessimistisch sind. Dabei war bei Hartz sogar ausdrücklich vorgesehen, Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt solche Angebote zu machen. Aber sie erfolgen nicht, sie finden nicht mal in der Debatte statt.

    Und deswegen reicht ein DFB-Konzept nicht aus. Am Amsterdamer Flughafen sind zig Beamte, Leiter von Gastronomie oder Einzelhande Holländer mit Immigrationshintergrund, wer in Nord-Paris sich Polizisten, Beamte oder Lehrer ansieht: Dort sind Immigranten. In Neu-Köln fahren germanische Lehrer in die sogenannten Ghettos und sagen dann fassungslos: Dass ich hier arbeiten muss! Ich kann denen doch sowieso nicht (mehr) helfen! Vielleicht gebe ich Ali, Kerim und Meleke einfach eine bessere Note (oder eben eine Schlechtere).

    Die Mentalität und die mangelnde Präsenz von Immigranten in Behörden, Firmen und vielen anderen Orten ist in Deutschland wirklich augenfällig. Und was Frankreich, Holland oder UK in 20 Jahren geschafft haben, dafür brauchen wir 70 oder 100 Jahre. Aber das ist zu lang.

    Und vielerorts läuft es so: Es gibt in Kindergärten, Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen einen Einstellungsstop, gleichzeitig wird eine Richtlinie erlassen, dass bei Neueinstellungen auf jeden Fall Immigranten zu berücksichtigen sind ... Noch Fragen? ERGO: Es muss sehr viel mehr hier passieren. Menschen brauchen Vorbilder und Rollenmodelle. Ein paar Kawum-Möchtegern-Stars und ein paar Fußballspieler reichen einfach nicht aus.