Kommentar Homophobie: Der schwule Reggae
Schwulenfeindliche Musiker sollten öfter nach ihrer Landung im Schengen-Raum mit einem Rückflugticket begrüßt werden: Und tschüss.
Martin Reichert ist Redakteur des taz-mag.
Nun sind auch die jungen Herren von der jamaikanischen Boyband "T.O.K." an der Reihe und der Musiker "Elephant Man" sowieso. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat CDs der Interpreten aufgrund schwulenfeindlicher Texte indiziert - der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck versucht derweil zu erreichen, dass "Elephant Man" nicht mehr nach Deutschland einreisen darf, ein Schicksal, das bereits den Reggae-Künstler "Sizzla" ereilt hatte.
Mit der Jugendgefährdung verhält es sich genau genommen so: Gefährdet durch solche Musik sind jene Jugendlichen, die in ihrer sexuellen Orientierung von der Mehrheit abweichen und sich - wie es nun mal vorkommt im richtigen Leben - in regelmäßigen Abständen mit einer Wirklichkeit jenseits studentischer Kneipen und Oberstufenpartys konfrontiert sehen. Insbesondere als Jung-Homo bekommt man dort gerne mal was aufs Maul, wird angespuckt, als Schwuchtel beschimpft etc. Es kommt allerdings auch in Leserbriefen dieser Zeitung vor, dass Geländewagen, die im Gegensatz zu einem virilen Land-Rover über Komfort-Federung und Sitzheizung verfügen, als "Schwuchtel-Jeeps" bezeichnet werden - hey, ist doch nicht so gemeint …
Ob man so jemanden ausweisen kann? Wird juristisch eher schwierig. Mindestens so schwierig, wie zu verstehen, warum so viele Reggae-Fans in Deutschland, die sich selbst womöglich als links-alternativ-progressiv begreifen, Gefallen daran finden, sich Lieder anzuhören, in denen es heißt: "Queers must be killed! Shoot them like birds". Und sich stattdessen lieber darüber aufregen, dass die nervigen Homos so einen Stress machen.
In der Welt außerhalb eines gewissen popkulturellen Bescheidwisser-Milieus, das so schön trennen kann zwischen Kunst und Wirklichkeit, wird jedenfalls getreten, geschlagen, geboxt und gemordet. Irgendwie so voll realistisch.
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