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Kommentar Heitmeyer-StudieDie Ängste der Besserverdienenden

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Deutschen werden intoleranter und schauen zunehmend mit Verachtung auf Arbeitslose herab. Besonders die finanziell Bessergestellten reagieren furchtsamer und aggressiver.

D ie Bundesrepublik ist im Laufe der Jahre toleranter geworden. Schwule können ohne viel Aufhebens Minister werden, neuerdings gilt dies auch für Musliminnen. Der langfristige Trend, den der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer bisher gemessen hat, zeigt, dass geronnene Ressentiments gegen das Andere langsam aufweichen. Vor allem wer über Geld und Bildung verfügt, zeigt sich liberal und aufgeklärt.

So war es – aber so ist es nicht mehr. Die Besserverdienenden verachten Arbeitslose neuerdings stärker als die Durchschnittsverdiener. Das klassische Modell, dass vor allem die abstiegsbedrohte untere Mittelschicht anfällig für Vorurteile gegen die da unten ist, gilt derzeit nicht mehr.

Die Besserverdienenden haben in der Finanzkrise erlebt, wie ihre Aktiendepots zeitweise dahinschmolzen. Dieser Abstieg war eher gefühlt als real - doch schon diese gefühlte Krise hat die Reichen härter, furchtsamer und aggressiver gemacht.

Bild: taz

Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz.

Das obere Bürgertum, das Absturzängste bislang nur aus der Zeitung kannte, ist in Teilen islamophob geworden. Und: Die Islamfeindschaft ist ein Ventil für allerlei Ängste. Auch wer sich links von der Mitte verortet, ist nicht mehr dagegen gefeit. Die Daten, die Heitmeyer & Co präsentieren, lesen sich wie eine Illustration der Sarrazin-Debatte.

All das ist beunruhigend. Denn bisher war stets Verlass darauf, dass Rechtspopulisten hierzulande höchstens flüchtige Erscheinungen sind, die nicht im Bundestagspräsidium, sondern als Kokser an der Copacabana enden. Der Sprung in die geordnete Welt des oberen Bürgertums blieb ihnen bislang verwehrt. Der konservative Handwerksmeister und der Schulrektor mögen keine windigen Demagogen, mit denen man in Deutschland einschlägige Erfahrungen gemacht hat.

So war es. Aber so muss es nicht bleiben. Die historische Imprägnierung gegen den Populismus hat Risse bekommen, die Abwehrkräfte schwinden.

Es stimmt: In der Parteipolitik gibt es kein Anzeichen, dass Rechte bei Wahlen reüssieren können. Keinen Wilders, keinen Haider. Zum Glück. Doch dahinter kommt langsam etwas ins Rutschen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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12 Kommentare

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  • MK
    Martin Kuhn

    Schon erstaunlich, wie bei der TAZ Welten aufeinander prallen. Da wird mit "Linke Lebenslügen" eine der treffendsten Analysen der letzten Monate, wenn nicht gar Jahre, veröffentlicht, schon verfällt man mit diesem Kommentar wieder zurück in die "Rechtspopulismus"-Masche.

     

    Zum einen gibt es eine stetig wachsende Islamfeindschaft in diesem Lande, aber der Ausdruck "islamophob" verbietet sich in diesem Zusammenhang, weil er diffamierend ist und eine psychische Störung (zwanghafte Furcht) unterstellt, die eigentlich nur ein Psychologe attestieren kann.

     

    Jeder, der den Koran gelesen hat, wird fast unweigerlich aufgrund der vielen zu Gewalt aufrufenen Suren kritisch dazu eingestellt sein - es sei denn, man ist Moslem. Jeder sollte sich z.B. klar machen, was es mit der Abrogation auf sich hat.

     

    Natürlich darf auch der Hinweis von den "windigen Demagogen, mit denen man in Deutschland einschlägige Erfahrungen gemacht hat" nicht fehlen. Nicht die Abwehrkräfte schwinden, sondern diese plumpe Links = gut / Rechts = böse-Masche zieht nicht mehr.

     

    Wenn Sie den Islam verstehen wollen, dann lesen sie sich doch mal einige Fatawa (islamische Rechtsgutachten) durch, z.B. hier:

     

    http://www.islaminstitut.de/Anzeigen-von-Fatawa.43+M5b8c72eac48.0.html

     

    Das spricht eigentlich für sich selbst. Und man kann diesen Islamgelehrten nun wirklich nicht nachsagen, dass sie islamfeindlich eingestellt sind.

  • MA
    Monsieur Achie

    Die Deutschen, besser gesagt die Europäer waren nie Tolerant. Solange den Europäern finanziel gut ging, haben die vorgetäuscht, als wären sie tolerant. Ich meine sie sind nicht nur gegenüber den Fremden intolerant, sonderen in der Gesellschaft gegenüber den Schwachen. ZB. Gegenüber den HartzIV Empfärger, wie bei der Rentendiskussion gegenüber den Alten, gegenüber den Behinderten usw. Allgemein gesagt, was nicht wirtschaftlich ist, ist schlecht. Sowie die Kinder. Die Kinder kostet dem Staat viel Geld bwz. für die einzelne Personen entspricht Vater und Mutter. Deshalb wird in Europa wenig Kinder erzeugt. (Einer von vielen Gründen). Von aufgeklärten Europa kann gar kein Rede sein, eher kann man von egoistmus reden. Hat es mit europäischen Geschichte zu tun?

  • JM
    Jürgen Mathäß

    Aha, Islamfeinschaft und Rechtspopulismus sind irgendwie das Gleiche! Ich bin sogar Islamgegner und Katholizismusgegner. Ich bin dagegen, dass dass die großen Verführer aus intelligenten jungen Menschen - Türken, Indonesier, Amerikaner, Bayern, ganz egal - verbohrte Dumpfbacken machen. Bin ich jetzt Rechtspopulist oder sind mache Leute auf einem Auge blind?

  • TL
    taz Leser

    Die Linken merken so langsam, dass ihre Hetze gegen das Bürgertum nun so langsam Früchte trägt. Die wahren Leistungsträger in unserem Land haben genug von Moralkeulen und finanzieller Ausplünderung durch linkes Gesockse und unerträgliche Einwanderung von Kriminellen aus dem Orient.

     

    Das Bürgertum erwacht und das ist gut so!

  • D
    denninger

    Lieber Stefan, liebe taz Redakteure und Journalisten,

    könnt Ihr bitte einmal grundsätzlich darlegen was Ihr unter Populismus im neutralen wie im ideologischen Kontext versteht?

    Dieser Begriff wird von Euch einfach zu häufig und immer einseitig verwendet.

  • R
    renate

    Gut wäre es, wenn sich die politische Führung trauen würde, die Reichen mehr zu besteuern, dann hätten sie wenigstens einen anderen Grund, worüber sie sich aufregen

    könnten.

  • S
    Sebastian

    Meiner Meinung nach ist den Menschen insgesamt die Fähigkeit zum differenzierten und selbstständigen Denken abhanden gekommen. Alle plappern nur den Müll von irgendwelchen Meinungsmachern nach, vornehmlich von denen, die die fleißig nach unten treten. Gegen Muslime und Arbeitslose zu hetzen gehört fast schon zum guten Ton. Die Realität und die Vernunft spielen dabei überhaupt keine Rolle mehr.

  • AV
    Axel Vulpius

    Volle Zustimmung. Es wird Zeit, statt der "Integrationsdebatte", die Einwanderer tendentiell problematisiert, eine Debatte über den latenten Rassismus und Sozialchauvinismus in der deutschen Gesellschaft zu führen. DAS ist nämlich das eigentlich schockierende Ergebnis des Prozesses: Das Sarrazin nicht allein da steht mit seiner Meinung.

     

    Wilders ist nur ein Symptom, das ausbricht, wenn der latent schwelende Rassismus sich durch Frustrationserlebnisse oder was auch immer offen Bahn bricht.

     

    Das die Ressentiments Arbeitslose und Muslime gleichermassen betreffen, zeigt, dass es hier eben nicht um einen "Clash of Cultures" geht und der vielzitierte kulturelle Hintergrund der Debatte nicht das eigentliche relevante Merkmal ist: Sondern dass es auch jetzt und hgier wieder nur um Arm und Reich geht - und um Angst. Das ist alles.

     

    Und das läßt schaudern.

  • MH
    Martiin Hesse

    Habe ich den Hinweis auf Teil 2 übersehen? Wo sind denn die Belege für die Thesen des Autors?

  • BG
    Bernd Goldammer

    ja, so ist es.

  • KS
    kein Sarrazin

    Wilhelm Heitmeyers Dauerstudie "Deutsche Zustände" ist jedes Jahr aufs neue für Soziologieinteressierte interessant zu lesen. Und viel besser als Sarrazins Machwerk.

     

    Wundern tut mich allerdings nur eines: warum gucken jetzt alle auf die unschuldigen Arbeitslosen herab und ist Rechtspopulismus modern, wo die Wirtschaftskrise doch vor allem durch Banker und marktradikale Politiker verursacht wurde? Bräuchten wir denn jetzt nicht "linke" Lösungen wie eine Finanztranskaktionssteuer, eine stärkere Regulierung des Bankensektors und harte Strafen für krminelle Ökonomen? Die Rechtspopulisten ändern doch eh nichts an den kaputten Verhältnissen! Und nach der Krise ist vor der Krise!

     

    Oder gilt bei den deutschen Untertanenmenschen eben doch wie seit jeher immer noch der Spruch "Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber"?

  • O
    optic
    Die Bundesrepublik ist im Laufe der Jahre toleranter geworden.

     

    das war eine optische täuschung. das mäntelchen des gutmenschen war nur eine mode. jeder linksgrünlichbiologische bildungsbürger trug es gern zum jutebeutel. nun setzen andere die trends und man sieht, was der linksintellektuelle mittelschichtler schon immer drunter hatte.

     

    erregung ist unagebracht. diese entwicklung war vorhersehbar. sie ist die folge von allzu eifrigem unter den teppich kehren.