piwik no script img

Kommentar Hebel beim RettungsschirmPlanvolle Verdunklung

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Wenn Merkel und Schäuble den Hebel beim Rettungsschirm wirklich planen, wäre dies eine harsche Brüskierung des Parlaments. Die Euro- und Politikskepsis wird so weiter steigen.

D ie Bundesregierung verhält sich gerade nicht besser als ein halbseidener Versicherungsvertreter. Als Ende September erstmals Meldungen über einen "Hebel" beim Rettungsschirm auftauchten, tat Finanzminister Wolfgang Schäuble diese noch als haltlose Spekulation ab.

Jetzt mehren sich Hinweise, dass die Regierung genau dies erwägt, um das Volumen des Schirms zu vervielfachen. Die Abgeordneten des Bundestags müssen sich fühlen, als seien sie einem zweifelhaften Haustürgeschäft aufgesessen. Erst nach dem Kauf der Police - will heißen: nach der Abstimmung über den Rettungsschirm - erfahren sie, dass der Vertreter das Wichtigste verschwiegen hat.

Noch äußern sich Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel nicht offiziell dazu, ob sie den Hebel planen. Wenn sie es tun, wäre dies eine harsche Brüskierung des Parlaments. Denn die angedachten Modelle ändern die Geschäftsgrundlage erheblich. Durch sie steigt die Schlagkraft, aber auch das Risiko, also die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland seinen Anteil von 211 Milliarden Euro nicht mehr vollständig wiedersieht.

Bild: Anja Weber
ULRICH SCHULTE

ist Parlamentskorrespondent der taz.

Und war da nicht was? Hat nicht die ganze Republik monatelang über ein Demokratiedefizit in Sachen Europa diskutiert? Wenn die Regierung den Abgeordneten eine solche Information vor der entscheidenden Abstimmung verschweigt, führt sie die versprochene stärkere Parlamentsbeteiligung ad absurdum.

Zumal das Motiv, den eigenen Laden vor dem Auseinanderfliegen zu bewahren, mehr als durchsichtig ist. Außerdem nimmt sie mit solch planvoller Verdunklung mutwillig in Kauf, dass die Europaskepsis in der Bevölkerung weiter steigt. Denn die speist sich vor allem aus Unwissen. Und aus dem Gefühl, im Unwissen gehalten zu werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

4 Kommentare

 / 
  • C
    Cryoman

    Wieder einmal bestätigt sich die Geschichte.

    "Wahnsinn hat Methode", erst recht wenn er den Stempel "Made in Germany" trägt.^^

     

    Lobbyismus ist Korruption in legalisierter Form und ich reibe mir ungläubig die Augen, das so wenige Menschen sich an "Occupy Germany" beteiligen.

    Normalerweise müßte es jetzt einen Generalstreik in ...schland geben, sonst wird es hier bald nichts mehr geben, wofür es sich lohnt zu demonstrieren.

     

    Fazit: Die "Koalitionsverantwortlichkeit" müßte von einer Bürgerverantwortlichkeit ausgetauscht werden, oder zumindest viel stärker miteinbezogen werden.

     

    Das Land wird gerade Kahl gefressen, das können sich die meisten Bewohner dieses landes überhaupt nicht vorstellen.

     

     

    Dieser Irrsinn ist nur noch mit der Passivität der Rechtschaffenden zu erklären.

     

     

     

    PS: Wenn in einem Parlament nicht mehr das Wort "Lüge" benutzt werden darf, dann ist es um das betreffende Land geschehen.

  • H
    Hans

    Hebel wirken immer in beide Richtungen, ist aber auch egal. Denn selbst 2 Billionen werden nicht reichen, da die Staatsverschuldung mit neuen Schulden bekämpft wird. Eigentlich ein Treppenwitz, wenn es nicht so traurig wäre.

    Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird der Schuldenanstieg in die exponentielle Phase übergehen. Bis dahin bleibt noch Zeit sich vorzubereiten.

  • H
    Hasso

    Die 'Kohl-Brut' ist aufgegangen und hat sich toll entwickelt.Da kommt zwar nichts bei raus... aber man kennt das ja.

  • C
    Coastman

    Die im Parlament wussten doch lt ARD-Bericht nicht einmal, um was es bei der Abstimmung ging. Andererseits weiß das Showparlament vermutlich mehr als wir; und sie wussten vermutlich, dass die EU-Diktatoren bereits weiter denken. Demokratie haben sie mit ihrem Finger heben in Berlin die Kloake hinab gespült. Für mich gilt das GG, § 20.