Kommentar Hausdurchsuchungen: Schutz der Zahnbürste
Das BKA plant, eines der letzten Tabus bürgerlicher Freiheit zu brechen. Das gilt es zu verhindern.
S tellen Sie sich vor, Sie kommen nach Hause. Der Sessel scheint aber nicht genau da zu stehen, wo er immer steht. Und die Zahnbürste liegt links vom Zahnputzbecher statt wie üblich rechts. War da etwa jemand in der Wohnung? Bisher konnte man ausschließen, dass die Polizei heimlich die Wohnung durchsucht hat, denn das darf sie bisher nicht. Die Hausdurchsuchung ist eine offene Maßnahme. Und wenn der Wohnungsinhaber zufällig abwesend ist, muss zumindest ein Angehöriger, Freund oder Nachbar hinzugezogen werden.
Christian Rath ist Rechtsexperte der taz.
Diese Regelung der Strafprozssordnung gilt schon seit Jahrzehnten. Doch das Bundeskriminalamt will sie nun offenbar geändert sehen. Hausdurchsuchungen sollen künftig als "verdeckte Durchsuchung" auch heimlich möglich sein. Dies wäre ein größerer Tabubruch als vor zehn Jahren die Einführung des Großen Lauschangriffs zur Strafverfolgung. Denn das Abhören von Wohnungen mittels Wanzen war damals zur Gefahrenabwehr schon möglich, was von Befürwortern und Gegnern nur nie erwähnt wurde. Die heimliche Wohnungsdurchsuchung ist dagegen bislang generell verboten. Sie ist eines der letzten Tabus bürgerlicher Freiheit, das es deshalb um so vehementer zu verteidigen gilt.
Die Argumente für die heimliche Durchsuchung sind die gleichen wie für die geplante heimliche Ausspähung von Computer-Festplatten. Man würde gerne sofort wissen, was in der Wohnung zu finden ist, ohne aber den Verdächtigen und seine möglichen Hintermänner bereits zu warnen. Und wenn die Polizei sogar bald via Spionagesoftware auf Computer in der Wohnung zugreifen kann, warum sollte sie dann nicht erst recht mit einem Dietrich in die Räume eindringen und mal in den Schreibtisch und unters Bett schauen dürfen. Schließlich ist so ein Einbruch technisch ja viel einfacher.
Es ist aber schlicht nicht zumutbar dass Bürger immer, wenn die Zahnbürste mal falschherum liegt, an eine heimliche Hausdurchsuchung denken müssen. Solche unterschwelligen Gefühle der Verunsicherung müssen vermieden werden. Die eigenen vier Wände sollen soweit wie möglich ein Ort geschützter Privatheit bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Merz’ Anbiederung an die AfD
Das war’s mit der Brandmauer
Rechtsdrift der Union
Merz auf dem Sprung über die Brandmauer
Christian Drosten
„Je mehr Zeit vergeht, desto skeptischer werde ich“
#MeToo nach Gelbhaar-Affäre
Glaubt den Frauen – immer noch
Grünes Desaster
Der Fall Gelbhaar und die Partei
Tabakkonsum
Die letzte Zigarette lieber heute als morgen rauchen