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Kommentar Hartz IVWeihnachtstheater im Parlament

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Egal wie lächerlich die Hartz IV-Erhöhung und wie defizitär das Bildungspaket ist, beide müssen ab Januar kommen. Erst dann kann über die Armen diskutiert werden.

D as Hickhack bei der Hartz-IV-Reform weckt böse Erinnerungen an die Dezembertage im Jahre 2003. Damals wollte eine rot-grüne Bundesregierung die Hartz-Gesetze durchsetzen, die CDU blockierte, im Vermittlungsausschuss kam es unter Hochdruck noch vor Weihnachten zu einer Einigung. Heute will eine Bundesregierung aus Union und FDP das sogenannte Reformpaket zu Hartz IV durchsetzen.

Nun blockiert die SPD unter Mithilfe der Grünen und möchte trotzdem nicht als die Partei dastehen, die eine Erhöhung um 5 Euro für Hartz-IV-Empfänger ab Januar verhindert. Also tagt am Freitag wieder der Vermittlungsausschuss, damit alle Parteien ihr Gesicht wahren können. Für die Hartz-IV-Empfänger interessiert sich beim vorweihnachtlichen Schattenboxen eigentlich niemand.

Stattdessen spielt sich die SPD als Anwalt der Armen auf, dabei hat sie die vom Verfassungsgericht gerügten Gesetze gemacht. Mitnichten ist sie eine verlässliche Interessenvertretung für die Armen. Leider ist die CDU mit ihren Reformen um keinen Deut besser: Das Bildungspaket für arme Kinder, das CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen durchsetzen will, hilft den Bedürftigen kaum, denn es entspricht den Bedürfnissen der heterogenen Haushalte häufig nicht.

taz

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Soziales im taz-Inland-Ressort.

Ein paar Beispiele: Viele Kinder aus Familien im Hartz-IV-Bezug bekommen keinen Platz im Hort, weil ein Elternteil erwerbslos ist. Also bringen ihnen die beschlossenen Zuschüsse für das Mittagessen nichts. Das Bildungspaket hilft Familien mit chronisch lernschwachen Kindern nicht, denn Nachhilfe wird nur gewährt, wenn die Versetzung gefährdet ist, und auch dann auch nur für einen begrenzten Zeitraum. Und wer auf dem Land lebt und viele Strecken mit dem Auto zurücklegen muss, bekommt immer noch kein Zusatzgeld für Sprit, damit die Kinder zum Sportverein chauffiert werden können. Manche Sozialpolitiker sehen nicht mal ein, dass arme Familien auf dem Land ein Auto brauchen.

Doch egal wie lächerlich die Erhöhung und wie defizitär das Bildungspaket ist, beide müssen ab Januar kommen. Damit die eigentlich anstehende Debatte überhaupt losgehen kann. Die Frage nämlich, wie wir künftig mit denen umgehen wollen, die ihr Existenzminimum nicht selbst erwirtschaften können, ist mit diesen kleinlichen Nachbesserungen überhaupt nicht beantwortet.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

13 Kommentare

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  • H
    hto

    "Die Frage nämlich, wie wir künftig mit denen umgehen wollen, die ihr Existenzminimum nicht selbst erwirtschaften können, ist mit diesen kleinlichen Nachbesserungen überhaupt nicht beantwortet."

     

    Dieser Satz ist nicht nur arrogant, er ist vor allem hinterfotzig im Sinne des Systems!?

     

    Meiner Meinung nach, kann GRUNDSÄTZLICH jeder Mensch seine Existenz erwirtschaften, wenn man ihm Raum / Wald / Grund und Boden zur Selbstverwirklichung läßt - nun ist dies aufgrund der Bevölkerungsdichte nicht mehr möglich, weshalb der vernunftbegabte Mensch DIVERSE KOMPROMISSE zum gesellschaftlichen Zusammenleben macht, die offensichtlich in systematischer Ausbeutung und Unterdrückung konfusioniert und miß- bzw. verachtet werden!?

  • J
    juefei

    Sehr geehrte Frau Dribbusch,

     

    Kein Kommentar sondern eine Informationsbitte:

    Welches ist die Rechtsgrundlage, dass Familien im Hartz IV-Bezug für ihre Kinder keinen Hortplatz finden, weil ein Elternteil erwerbslos ist?

     

    Besten Dank,

     

    juefei

  • H
    hto

    "... die ihr Existenzminimum nicht selbst erwirtschaften können, ..."

     

    - das ist eine ziemliche arrogante und geringschätzige Behauptung.

     

    Viel mehr sollten wir endlich mal grundsätzlich über Existenz, die Wohlstandsschranzen in gutbürgerlich-gebildeter Suppenkaspermentalität und über ein anderes System OHNE Wettbewerb usw. reden, wo ziemlich offensichtlich alles gerechter / wahrhaftiger organisiert werden kann!?

  • TF
    Thomas Fluhr

    Die 5€-Verarsche kann ruhig verhindert werden, so gibt es wenigstens eine geringe Chance auch einmal ehrlich zu rechnen, nicht dieses zurecht Kalkulieren.

    Ich glaube noch an den Weihnachtsmann.

  • U
    ueberdiekoepfederbetroffenen

    Leider wird auch diesmal nur über die 5-Euro Nebelkerze und Kinderpaket berichtet und nicht, dass diese weitere 'Reform' wieder etliche weitere Verschärfungen mit sich bringen wird.

    Da sind u.a.:

     

    - Anrechnung von Darlehen als Einkommen

    Beispiel: Betroffene die teilweise monatelang auf die Bearbeitung ihres Antrags warten müssen und sich, um nicht zu verhungern Geld leihen, bekommen dies als 'Zufluss' angerechnet und später abgezogen!

     

    - Aufgabe der Zweckidentität bei der Einkommensanrechnung

     

    - Anrechnung von nicht steuerpflichtigen Einnahmen einer Pflegeperson

     

    - Anrechnung von Einnahmen von Tagesmüttern

     

    - Regeln der Darlehensgewährung, Vermögenseinsatz und Aufrechnungsbefugnisse gegen alle BG Mitglieder

     

    - Satzungsregeln bei Unterkunftskosten

     

    - Aufrechnungsbefugnisse nach § 43 SGB II - E

     

    - Sanktionen bei Kenntnis

    In Zukunft soll es schon reichen, wenn betroffene nur erahnen konnten, dass sie für irgendwas eine 'Sanktion' bekommen könnten. Eine Rechtsfolgenbelehrung wird überflüssig, der Willkür der Sachbearbeiter Tür und Tor geöffnet.

     

    - Verkürzung der Korrekturfristen von Bescheiden in § 44 + 48 SGB X auf ein Jahr, aber Verlängerung von Korrekturfristen der Arge.

     

    -Verschärfung der Anrechnung für Selbstständige, die wegen zu geringeren Einnahmen auf 'v.d.Leyen5' angewiesen sind.

     

    -Ein, die 'Eingliederungsvereinbarung' ersetzender willkürlicher Zwangs'vertrag' (Verwaltungsakt), wird in Zukunft sanktionsfähig. Damit kann z.b. ein Sachbearbeiter Betroffene einmal täglich vorladen und sie in der Arge Handstand machen lassen. Ohne irgendwie begründen zu müssen, ob dies in irgend einer Weise den Betroffenen zu einem neuen Job verhilft.

     

    -last but not least, Weihnachtlich-Christlich: Behinderte die bei Angehörigen oder in Pflegeeinrichtungen leben, bekommen weitere Kürzungen ihrer Leistungen.

     

    Genauere infos hier:

    http://www.harald-thome.de/media/files/SGB-II--nderungen-2011,-Thome,-Stand-15.11.2010.pdf

    http://www.chefduzen.de/

  • A
    Amos

    Also Ihrer Meinung, Frau Dribbusch, bin ich überhaupt nicht. Diese 5-Euro Erhöhung Bei Hartz 4 ist Verarsche, Hohn und Spott für die Bezieher. Und die Parteien, die dies billigen, gehören nicht mehr gewählt. Übrigens,ist die TAZ jetzt auch schon pro Merkel? Bei diesem Gaunerstück der Neuberechnung wurden 6,6 Milliarden eingespart und dann besitzt man noch die Stirn von einer Erhöhung um 5-Euro zu sprechen.Eine Schande ist das!

  • M
    Marone

    Wenn das neue Hartz-Gesetz (Hartz 5?) beschlossen ist, wird es keine Debatte mehr geben. Zumindest solange, bis das Bundesverfassungsricht erneut Nachbesserung verlangt.

    Hartz 4-Empfänger ohne Kinder können problemlos warten, der geringe Betrag wird ja nachgezahlt.

  • S
    Slobo

    "Für die Hartz-IV-Empfänger interessiert sich beim vorweihnachtlichen Schattenboxen eigentlich niemand."

     

    Sehr treffen formuliert. Man kann bei der Debatte echt nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

  • TB
    thomas bode

    Wenn man nicht gerade den Begriff "chauffieren" verwenden würde, und vor allem nicht das Wort "wir", also "wir" die mit "denen da", jenen Anderen, den Nicht-Leistungsträgern, die wir ja nicht sind, irgendetwas tun müssen...

    ja dann, bräuchte man keinen Kommentar schreiben...

  • S
    Steffi

    Dass die Bildungskarte überhaupt erstmal kommen muss, egal in welcher Form, denke ich auch;

    damit die Idee überhaupt erstmal im Raum steht, dass die Gesellschaft dafür verantwortlich ist, dass sich jedes Kind den Sportverein und die Musikschule leisten kann und nicht der Geldbeutel der Eltern.

     

    Dass sie dann tatsächlich noch so ausgestaltet wird, dass das auch der Fall ist, dafür kann man sich dann massiv einsetzen.

  • C
    Celsus

    Ist der taz nicht bewusst, dass gleichzeitig die sogenannten Armutsgewöhnungszuschläge nach Bezug von Arbeitslosengeld I gestrichen werden sollen, die eben wesentlich höher als 5 Euro sind? Es wird viele Menschen geben, die nach diesem Gesetz dann tatsächlich wesentlich weniger Geld haben.

     

    Wie kann es dann sein, dass die taz das Gesetz hartnäckig als Erhöhung verkauft udn zwar ausschließlich unter diesem Gesichtspunkt? Bitte berichten Sie doch einfach einmal wieviele menschen dann nennenswert weniger Geld erhalten.

     

    Auf dem Hintergrund: Wie genau wurde denn überprüft, wieviele Menschen durch die Erhöhung des sogenannten Eckregelsatzes dann ein wenig mehr Geld haben sollen?

  • F
    felix

    Die Antwort auf die am Ende gestellte Frage könnnte ein bedingungsloses Grundeinkommen sein!

  • W
    Westberliner

    Dieser Artikel enthält einen sehr wahren Satz: Für die HartzIV-Empfänger selbst, interessieren sich "Christen", Liberale, Sozialdemokraten und Grüne nicht. Einzig allein die Linkspartei ist präsent bei Demos wie am 26.11.2010 vor dem Brandenburger Tor oder morgen am 17.12.2010, 9 Uhr, vor dem Bundesrat.

    Frau Homburger von der FDP hat nur einen zynischen Satz im Parlament parad: (sinngemäß) Die Opposition hat zu Demos aufgerufen und zehntausende erwartet. Gekommen sind aber nur ein paar tausend. Das würde wohl zeigen, dass die Betroffenen einverstanden sind.

    Geht es noch verächtlicher, Frau Homburger?