Kommentar Hartz-IV-Reform: Konsens gegen die Armen
Es ist kein Zufall, dass das Kabinett die Hartz IV-Sätze nur um fünf Euro erhöhte - und die statistischen Daten so lange manipulierte, bis das gewünschte Ergebnis herauskam.
3 64 Euro sind sehr wenig, realistisch betrachtet zu wenig, um davon einen Monat zu leben. Selbst CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ahnt das wohl. "Hartz IV ist kein Dauerzustand, das muss ein Übergang sein", sagte sie wie zum Trost, nachdem das Kabinett am Mittwoch die neuen Sätze beschlossen hatte.
Auf diesen wundersamen "Übergang" von Hartz IV in das normale Arbeitsleben hofft die Politik nun schon seit mehr als fünf Jahren. Doch Fakt ist: Im September gab es noch immer 4,83 Millionen Hartz-IV-Empfänger, hinzu kamen ihre rund 1,8 Millionen Kinder. Und selbst diese Millionen sind noch künstlich kleingerechnet.
Es ist ja kein Zufall, dass sich das Kabinett nur zu einer Erhöhung um 5 Euro durchringen konnte - und die statistischen Daten so lange manipulierte, bis das gewünschte Ergebnis herauskam.
Denn jeder zusätzliche Euro für die Hartz-IV-Empfänger würde auch die Zahl der normalbeschäftigten Niedriglöhner erhöhen, die eine "Aufstockung" beantragen könnten. Plötzlich würde sichtbar, dass in Deutschland nicht nur knapp sieben Millionen Hartz-IV-Empfänger arm sind, sondern dass die "einkommensschwachen Haushalte" schon rund 22,5 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Allerdings ist nicht wirklich wichtig, was die Bundesregierung plant, seitdem sie ihre Mehrheit im Bundesrat verloren hat. Nur wenn Grüne oder SPD zustimmen, kann die Hartz-IV-Reform in Kraft treten. Erpressungspotenzial hat die Opposition, weil das Bundesverfassungsgericht eine Neuordnung angemahnt hat.
Trotzdem ist keineswegs sicher, dass die Hartz-IV-Sätze bedeutsam steigen werden. Denn Grüne und SPD lesen auch Umfragen - und die besagen, dass die Mehrheit der Bevölkerung kein weiteres Geld für die Armen ausgeben will.
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