Kommentar Hapag-Lloyd: Lukrativer Lokalpatriotismus
Der norwegische Großaktionär verspricht sich vom Hapag-Lloyd-Verkauf eine fette Sonderdividende. Dass das deutsche Aktienrecht so ein rücksichtloses Geschäftsgebaren zulässt, ist der eigentliche Skandal.
Egal wo man hinfährt, die orangefarbenen Container der größten deutschen Reederei mit Sitz in Hamburg sind schon da, auf der Panamericana wie im Hafen von Hongkong. Hapag-Lloyd - schon der Name klingt nach Hafenromantik und weiter Welt. Doch solche Gefühle können nicht rechtfertigen, dass die Hansestadt Hamburg versucht, gemeinsam mit lokalen Unternehmern den Verkauf der Hapag an einen ausländischen Bewerber zu verhindern. Dafür gibt es bessere Argumente.
Wenn die Stadt nicht einen dreistelligen Millionenbetrag in ein eigenes Kaufangebot investiert, würde die Kontrolle über 2.000 Hamburger Arbeitsplätze wahrscheinlich bei einer Reederei etwa aus Singapur landen. Ein Großteil der Stellen wäre dann in Gefahr, denn das fusionierte Unternehmen hätte zwei Zentralen - eine in Singapur, eine in Hamburg. Was läge da näher, als eine zu schließen? Dieses Schicksal würde wohl den Hamburger Sitz treffen, schließlich wären den neuen Entscheidern ihre eigenen Kollegen in Singapur näher als die im internationalen Vergleich gut bezahlten Beschäftigten im fernen Deutschland. Um diesen Schaden von der Stadt abzuwenden, bleibt Hamburg nichts anderes übrig, als sich mit Steuergeld an einer eigenen Übernahme der Hapag-Lloyd zu beteiligen. Vielleicht macht der Staat sogar ein Geschäft, wenn er später seine Anteile mit Gewinn wieder verkauft - so wie Hamburg das seinerzeit bei dem Kosmetikhersteller Beiersdorf tat, um eine Fremdübernahme auszuschließen.
Dennoch ist es bitter, dass der Staat in diese Zwangslage geraten ist. Denn der jetzige Eigentümer, der Hannoveraner Touristikkonzern TUI, hat den Verkaufsprozess vor allem deshalb angeschoben, weil sich der norwegische Großaktionär John Fredriksen davon eine fette Sonderdividende versprach. Er übte massiven Druck auf den TUI-Vorstand aus, bis dieser schließlich nachgab. TUI macht zwar mit der Hapag Gewinn. Aber das interessierte Fredriksen nicht, er sah nur seinen kurzfristigen Profit. Dass das deutsche Aktienrecht so ein rücksichtloses Geschäftsgebaren zulässt, ist der eigentliche Skandal. JOST MAURIN
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