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Kommentar Haftentlassung KachelmannKeine Vorentscheidung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Für Kachelmann ist seine Haftentlassung natürlich eine gute Nachricht. Ein Freispruch zeichnet sich aber noch längst nicht ab.

J örg Kachelmann ist frei. Der Wettermoderator, dem die Vergewaltigung einer ehemaligen Geliebten vorgeworfen wird, muss aus der Untersuchungshaft entlassen werden, denn das Oberlandesgericht Karlsruhe hat den dringenden Tatverdacht verneint.

Für Kachelmann ist das natürlich eine gute Nachricht. Als Schweizer, also Ausländer, ohne festen Wohnsitz in Deutschland, wurde bei ihm - wie bei anderen Ausländern auch - fast automatisch Fluchtgefahr angenommen. Ohne dringenden Tatverdacht kann er den Prozess, der am 6. September beginnt, nun in Freiheit abwarten.

Für die Frau, die ihn angezeigt hat, ist das OLG-Votum ein neuer Nackenschlag. Ihre Aussage wird nicht als genügend glaubwürdig angesehen, um den dringenden Tatverdacht aufrechtzuerhalten. Das OLG hält eine Falschanzeige für möglich und schließt nicht einmal aus, dass sie sich ihre Verletzungen selbst beigebracht hat. Wenn sie wirklich von Kachelmann vergewaltigt wurde, dann wird sie durch diese Entscheidung ein zweites Mal zum Opfer gemacht. Allerdings kann kein Außenstehender wirklich beurteilen, ob die OLG-Entscheidung richtig war. Nur die Richter kennen alle Akten, Aussagen, Gutachten und Gegengutachten. Die Öffentlichkeit kennt nur Schnipsel, die vom Verteidiger und von der Staatsanwaltschaft gezielt lanciert wurden. Der Fall steht auf der Kippe. Das Landgericht Mannheim hat Anfang Juli - bei gleicher Sachlage - noch "dringenden Tatverdacht" angenommen.

Bild: privat

Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Ein Freispruch für Kachelmann zeichnet sich jedenfalls noch nicht ab. Die Anklage bleibt ja bestehen, der Prozess wird stattfinden. Entscheiden wird zunächst das Landgericht Mannheim, das bisher eher der Frau glaubte. Und sollte Kachelmann nach einer Verurteilung Revision einlegen, wäre auch nicht das jetzt aktive OLG Karlsruhe zuständig, sondern der Bundesgerichtshof. Die U-Haft-Entscheidung ist also nur ein punktueller Erfolg für Kachelmann, keine Vorentscheidung.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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3 Kommentare

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  • W
    wauz

    Das ärgerliche an der Sache ist, dass der Respekt vor der Strafprozessordnung seitens der Staatsanwaltschaften völlig erodiert ist. Es ist ja nicht nur der Fall Kachelmann, wo von vornherein Effekthacsherei betrieben wird, um via Medien eine Vorverurteilung zu erreichen. Man schaue sich auch den "Mord"fall Brunner an.

  • E
    egal

    Das automatische Unterstellen der Fluchtgefahr ist zumindest die äußerste Grenze der Gesetzesuslegung, wenn nicht schon drüber. Dass das Landgericht so beharrlich sich weigerte, die Entscheidung zur U-Haft zurückzunehmen, deutet auf einen problematischen Prozess hin.

    Der OLG-Beschluss ist sicherlich ein deutliches Zeichen, weil er sich noch nicht mal mit der Fluchtgefahr als Haftgrund beschäftigt hat, sondern gleich massiv in der Sache (Tatverdacht) eine Bewertung abgegeben hat. Das sieht man von OLGs eher selten in dieser Deutlichkeit.

     

     

    "Wenn sie wirklich von Kachelmann vergewaltigt wurde, dann wird sie durch diese Entscheidung ein zweites Mal zum Opfer gemacht."

     

    Die Frage ist dann aber, von wem sie das dann wurde. Momentan zeichnet sich eine Wende ab und ist alleine auf Grund des schnellen Vorpreschens der Staatsanwaltschaft so in der Presse gelandet.

     

    Da wurde wochenlang die große Festnahme am Flughafen (Marke Schwerverbrecher) vorbereitet und überfallsartig durchgezogen. Da hat man wochenlang ihn erstmal schmoren lassen bei einer schon damals nicht klaren Beweislage und dann hat man sich dann auch borniert gezeigt als die ersten Angriffswellen so langsam zerbröckelt sind.

     

    Der Staatsanwaltschaft war spätestens im Juni klar, dass sie damit übers Ziel hinausgeschossen ist. Sachgerechter - auch für das angebliche Opfer - wäre eine medienferne Aufarbeitung gewesen. Dann hätte man in aller Stille ermitteln können und dann den "freien" Kachelmann zum Prozess laden können.

     

    Aber man wollte ja ganz bewusst den Paukenschlag setzen und nun hat man den Gegenpaukenschlag vom OLG erhalten. Wenn das in dieser Form weitergeht, schrumpft die bereits zugelassene Anklage wohl inhaltlich zum Freispruch, den dann die Staatsanwaltschaft selbst noch beantragen müsste.

     

     

    Man muss sich schon fragen - unabhängig vom Fall Kachelmann - wer eigentlich hier die Staatsanwaltschaften beaufsichtigt. Der Fall Brunner zeigt ebenso eine vollkommen fehlgeleitete Staatsanwaltschaft, die der Öffentlichkeit durch Vorenthalten von Entlastungsbeweisen ein ganz mieses Bild von den beiden Tätern geben will. Offenbar will man mediale Schlachten schon im Vorfeld schlagen und den Angeschuldigten zu zermürben. Es gilt wieder der Spruch: U-Haft schafft Rechtskraft...

     

    Die Fälle, in denen Prominente verwickelt sind, haben sich in den letzten Monaten alle zum Debakel für die Staatsanwaltschaften gewandelt. Lernbereit scheint dort aber keiner zu sein.

  • W
    Wolfgang

    Egal was für ein Urteil gesprochen wird, der Ruf ist hin. Leider glauben auch immer weniger Menschen an die Justiz und an die Gerechtigkeit. Recht haben, heißt noch lange nicht Recht bekommen.