Kommentar Guttenbergs Rücktritt: Zeit der Legendenbildung
Zwar hat sie die Kabinettsumbildung glatt über die Bühne gekriegt, aber Merkel bleibt wegen ihres Verhaltens in der Causa Guttenberg angeschlagen. Zu vehement hat sie den Baron verteidigt.
K urz, schmerzlos, machtpolitisch geschickt: diese Kabinettsumbildung passt zu Angela Merkel. Thomas de Maizière ist unauffällig, integer und klug - und damit das Gegenteil seines Vorgängers. Wahrscheinlich ist de Maizière für das Bohren dicker Bretter wie die Bundeswehrreform sowieso besser geeignet als der flotte Baron.
Auch die CSU kann zufrieden sein, weil sie mal wieder mit dem Schlüsselressort Innenministerium betraut ist. Der Neue, Hans-Peter Friedrich, ist kein Lautsprecher, der das Ministerium im Handumdrehen zur zackigen Law-and-Order-Bastion machen wird. Kein Rechtsschwenk also - die Merkel-Regierung will in der gefühlten Mitte bleiben. Nur in der Integrations- und Islamdebatte könnte der Ton etwas schärfer werden. Ansonsten hat Merkel ihr wichtigstes Ziel erreicht: Der Koalitionsfrieden ist gewahrt, die Krise rasch beendet. Ist also alles gut?
Nicht ganz. Dies ist die tiefste Krise in Angela Merkels Kanzlerschaft. Nicht weil Guttenberg unersetzbar oder der zerzauste Gemütszustand der Union so bedeutend wäre. Aber Merkel, die Vorsichtige, hat sich noch nie so stark verrechnet. Ausgerechnet bei Guttenberg hat sie die Distanz, die sie stets wie eine Schutzhülle umgibt, aufgegeben und den Exminister zu lange mit zu markigen Worten verteidigt. Merkel hat nicht begriffen, dass ein Betrüger nicht Minister bleiben kann, und sie hat den Protest der Wissenschaft und des Bildungsbürgertums sträflich gering geschätzt.
Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.
Frappierend ist, dass auch der Rücktritt daran nichts geändert hat. Merkel wettert unverdrossen weiter gegen die Opposition, stilisiert Guttenberg zum Opfer und betreibt Legendenbildung. So klingt ein verbohrter Kampf um die Deutungshoheit. Ihr kommt zugute, dass sich viele in der Union an eine Version dieses Stücks klammern, in der der Exminister noch immer eine Lichtgestalt ist - tugendhaft, mutig, heldenhaft -, die von heimtückischen Gegnern in den Schmutz gezogen wurde. Kein Hauch von Selbsterkenntnis; so redet man in der Wagenburg. Dazu passt, dass mit Hans-Peter Friedrich ein glühend uneinsichtiger Anhänger von Karl-Theodor zu Guttenberg nun selbst Minister geworden ist.
Man sieht Merkel nach dieser Affäre anders. Im Taktischen agiert sie gewohnt clever, aber die größeren Linien sind so verschwommen wie nie. Keine Spur von den Werten, die sie selbst im Mund führt. Eine Technikerin der Macht, mehr nicht.
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