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Kommentar Guttenbergs RücktrittZeit der Legendenbildung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Zwar hat sie die Kabinettsumbildung glatt über die Bühne gekriegt, aber Merkel bleibt wegen ihres Verhaltens in der Causa Guttenberg angeschlagen. Zu vehement hat sie den Baron verteidigt.

K urz, schmerzlos, machtpolitisch geschickt: diese Kabinettsumbildung passt zu Angela Merkel. Thomas de Maizière ist unauffällig, integer und klug - und damit das Gegenteil seines Vorgängers. Wahrscheinlich ist de Maizière für das Bohren dicker Bretter wie die Bundeswehrreform sowieso besser geeignet als der flotte Baron.

Auch die CSU kann zufrieden sein, weil sie mal wieder mit dem Schlüsselressort Innenministerium betraut ist. Der Neue, Hans-Peter Friedrich, ist kein Lautsprecher, der das Ministerium im Handumdrehen zur zackigen Law-and-Order-Bastion machen wird. Kein Rechtsschwenk also - die Merkel-Regierung will in der gefühlten Mitte bleiben. Nur in der Integrations- und Islamdebatte könnte der Ton etwas schärfer werden. Ansonsten hat Merkel ihr wichtigstes Ziel erreicht: Der Koalitionsfrieden ist gewahrt, die Krise rasch beendet. Ist also alles gut?

Nicht ganz. Dies ist die tiefste Krise in Angela Merkels Kanzlerschaft. Nicht weil Guttenberg unersetzbar oder der zerzauste Gemütszustand der Union so bedeutend wäre. Aber Merkel, die Vorsichtige, hat sich noch nie so stark verrechnet. Ausgerechnet bei Guttenberg hat sie die Distanz, die sie stets wie eine Schutzhülle umgibt, aufgegeben und den Exminister zu lange mit zu markigen Worten verteidigt. Merkel hat nicht begriffen, dass ein Betrüger nicht Minister bleiben kann, und sie hat den Protest der Wissenschaft und des Bildungsbürgertums sträflich gering geschätzt.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Frappierend ist, dass auch der Rücktritt daran nichts geändert hat. Merkel wettert unverdrossen weiter gegen die Opposition, stilisiert Guttenberg zum Opfer und betreibt Legendenbildung. So klingt ein verbohrter Kampf um die Deutungshoheit. Ihr kommt zugute, dass sich viele in der Union an eine Version dieses Stücks klammern, in der der Exminister noch immer eine Lichtgestalt ist - tugendhaft, mutig, heldenhaft -, die von heimtückischen Gegnern in den Schmutz gezogen wurde. Kein Hauch von Selbsterkenntnis; so redet man in der Wagenburg. Dazu passt, dass mit Hans-Peter Friedrich ein glühend uneinsichtiger Anhänger von Karl-Theodor zu Guttenberg nun selbst Minister geworden ist.

Man sieht Merkel nach dieser Affäre anders. Im Taktischen agiert sie gewohnt clever, aber die größeren Linien sind so verschwommen wie nie. Keine Spur von den Werten, die sie selbst im Mund führt. Eine Technikerin der Macht, mehr nicht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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5 Kommentare

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  • VH
    von hut

    ich bin froh, dass das Gewürge um KT ein Ende hat. Mit der Kanzlerin voran haben die Politiker gezeigt, dass sie sich für sogenannte Macht auch gerne mal lächerlich zu hampelmännern machen und sich selbst vorführen.Bravo. Applaus !Vorhang zu!

    Ich bin noch entsetzter, wie sich Tausende jetzt für KT weiter einsetzten. Absurd!!

     

    Mir wäre es lieber meine Mitmenschen würden sich für soziale Gerechtigkeit zu Tausenden versammeln und gegen die schleichende Zerstörung des Sozialstaates einsetzen.

     

    oder für die Menschenrechte

    oder gegen die Rüstungsindustrie etc....

  • R
    rea.d

    @Sebas KTzG hat nicht nur seine Doktoarbeit plagiiert, sondern dafür auch in größerem Umfang den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Anspruch genommen, was er nicht bestritten hat. Er hat damit Steuergelder für sein privates Fortkommen missbraucht, was völlig unter den Tisch gekehrt wurde (da sind andere schon über weniger gestürzt.) Insofern kann ich eigentlich keine Hetzkampagne der Medien erkennen, sondern, besonders im Fall der Bild, eher das Gegenteil. - Im übrigen gibt es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

  • S
    Sebas

    Es ist einerseits richtig, dass zu Guttenberg mit seiner Doktorarbeit einen Ansatzpunkt für seinen Sturz geliefert hat.

     

    Allerdings kann man es nicht völlig von der Hand weisen, dass sich daraus wirklich eine Hetzjagd entwickelt hat, die bei linken Politiken sicher nicht so gewesen wäre. Ihr Kollege, Herr Yücel hat ja kurz einmal die Affaire Fischer (Kommentar "Herakles, Jesus, Guttenberg"), als sehr passendes Beispiel genannt:

    Auch er schreibt dabei allerdings eher nebulös von Fischers "linksradikaler Vergangenheit", und nennt das Kind jedoch nicht beim Namen, um ja keinen Vergleich der Vorgehensweise der Presse in beiden Fällen aufkommen zu lassen. Zur Erinnerung: Tatsächlich ging es bei dem ganzen eher darum, dass auf mehrern Bildern unser damaliger Aussenminister zu sehen war, wie er zusammen mit vier anderen einen Polizisten krankenhausreif geprügelt hat. Das auf der Bilderserie erkennbare Vorgehen (Polizist kommt ins Bild, darauf ausser dem Lockvogel in der Mitte vier Leute von links-unten, rechts-unten, links-oben und rechts-oben um jede Fluchtmöglichkeit abzuschneiden) lässt nur den Schluss zu, dass es eine geplante Aktion der von Fischer gegründeten PUTZ-Truppe (Putz machen war ja damals ein Modewort für Randale, aber auch "jemandem auf die Fresse hauen")gehandelt hat.

    Ähnlich wie zu Guttenberg zeigte auch Herr Fischer allerdings keinerlei Reue, allerdings übernahm hier die Presse (mit Ausnahme von BILD und FOCUS) sehr schnell Fischers Ausdruck von der "Jugendsünde" (er war zum Tatzeitpunkt immerhin 28), so als wäre geplante Menschenjagd, das halbtot Schlagen von Menschen und die Inkaufnahme eben auch mal mehr als "halbtot" zu erreichen, so ein kleiner Jugendstreich, ein "Spässle", nicht der Rede wert. Die Frage, ob einer der "so etwas" getan hat, denn überhaupt charakterlich für einen Ministerposten noch geeignet sein könnte, wie sie im Falle von zu Guttenberg immer wieder gestellt wurde, tauchte gar nicht auf.

    Am Ende verschwand das Thema innerhalb weniger Tage aus der Presse, nur BILD und FOCUS versuchten noch etwas, das am Leben zu halten, aber da 90% der Presse eben das Thema lieber totschwiegen oder nur als "Streich" verharmlosten, verschwand es gleich wieder aus dem kollektiven Bewusstsein.

     

    Wie gesagt, das ändert nichts daran, dass unser Ex-Verteidigungsminister die Vorlage für seinen Sturz selbst geliefert hat. Allerdings ist die unterschiedliche Behandlung in den Medien - ständige Berichterstattung, vor allem über "Anti-KTG" Aktionen und Proteste auf der einen, totschweigen und Verharmlosung auf der anderen anderen Seite - vielleicht auch ein Grund für die "Legendenbildung" einer linken Hetzkampagne.

    Allerdings wohl einer, den die Medien nicht gerne transportieren werden.

  • V
    vic

    Ich habe eine böse Ahnung, dass der tumbe BILDbürger auch das wieder wegsteckt - inklusive einer baldigen Rückkehr des schwarzen Barons.

  • B
    Bitbändiger

    Gewohnt guter Kommentar, Herr Reinecke; vielen Dank.

    De Maizière war von allen genannten Namen (außer Dietrich Weise) sicher die beste Wahl für die anstehenden Aufgaben des Verteidigungsministers; mit Sicherheit weitaus seriöser und kompetenter als Guttenberg. Allerdings stört mich sehr seine unaufgeklärt dubiose Rolle während seiner Zeit als sächsicher Innenminister in der "Sachsensumpf-Affaire".

     

    Herr Friedrich hat sich in der Causa Guttenberg als ziemlich dumpfer Wadenbeißer hervorgetan, ist also eigentlich nicht ministrabel - könnte er sich nicht hinter der Kanzlerin verstecken, die mit ihren infantilen Rundum-Schlägen auf BLÖD-Niveau den letzten Ruch von Anständigkeit und Kompetenz verspielt hat.