Kommentar Grünes Sofortprogramm: Der Jamaika-Killer

Das Sofortprogramm ist kein Gesprächsangebot, sondern ein Killer für Jamaika. Die Grünen können nicht zurück, auch wenn manche grüne Führungskraft das bedauert.

Es ist eine Wette mit Union und FDP, die die Grünen abschließen wollen. Sie formulieren in ihrem "Sofortprogramm" Forderungen, die in einer gemeinsamen Regierung mit CDU/CSU und FDP sofort umgesetzt werden müssten - sonst wird das eben nichts mit Jamaika. Darunter: Spitzensteuersatz auf 45 Prozent, Hartz IV auf 420 Euro, doppelte Staatsbürgerschaft. Die Idee lautet: Wetten, dass die das nicht mitmachen?

Geht die Wette für die Grünen auf, wird an diesen Forderungen in jeglichen Sondierungsgesprächen nach der Wahl sofort deutlich, warum Jamaika im Bund - vorläufig - eine Wunschvorstellung sich fortschrittlich fühlender Journalisten und natürlich des schwarz-gelben Lagers bleibt. Die Wette hat aber ein Risiko. Was ist, wenn Union und FDP den Preis - oder jedenfalls den Löwenanteil davon - zu zahlen bereit wären? Zugegeben: Die FDP müsste die Sache mit dem Spitzensteuersatz gegenüber ihren Leuten sehr, sehr ausführlich begründen. Aber: Hartz IV auf, sagen wir, 380 Euro? Die Union wird wundervoll klingende Angebote unterbreiten.

Doch eines wissen die Grünen noch aus rot-grünen Zeiten: Jede Sozialstaatsforderung kann im Gesetzgebungsverfahren raffiniert in ihr Gegenteil gewandelt werden. Eine Debatte über Euro- und Cent-Beträge, über Steuer- und Hartz-IV-Statistiken ist in Sondierungsgesprächen unmöglich.

Das Sofortprogramm ist deshalb kein Gesprächsangebot, sondern ein Killer für Jamaika. Das soll es auch sein. Die Grünen können nicht zurück, auch wenn manche grüne Führungskraft das bedauert. Sie haben sich gegen Jamaika festgelegt - auf dem jüngsten Parteitag, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Beschlösse die Parteispitze, ernsthaft über Schwarz-Gelb-Grün zu verhandeln, wäre dies ein Partei-Auflösungsbeschluss. Und noch im Oktober gäbe es rings um die neue große Koalition rauchende, grüne Trümmer zu besichtigen.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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