Kommentar Grüne bei Stuttgart 21: Die grüne Gefahr
Wer gegen "Stuttgart 21" ist, sollte sich nicht vor den grünen Wahlkampfkarren spannen lassen. Und die Protestler in Baden-Württemberg auch nicht auf Parteien vertrauen.
W ie passt das zusammen? In Berlin hat die grüne Parteispitze die Proteste gegen Stuttgart 21 für sich entdeckt - und die Landtagswahl im März 2011 zur Schicksalsentscheidung erklärt. Doch in Baden-Württemberg will jener grüne Spitzenkandidat, der heute beste Chancen auf den Ministerpräsidentenposten hätte, nicht garantieren, dass ein Ausstieg aus dem Projekt überhaupt noch möglich ist.
Winfried Kretschmann, der seinen Aufstieg nur den Protesten in Stuttgart zu verdanken hat, hält sogar eine schwarz-grüne Koalition im Ländle noch für möglich. Das zeigt: Wer gegen Stuttgart 21 ist, sollte sich nicht vor den grünen Wahlkampfkarren spannen lassen. Denn ob beim Kosovokrieg, bei der Umsetzung der Hartz-Reformen oder beim Streit um das Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg - oft genug haben die Grünen schon gezeigt, dass bloßes Dagegensein nicht bedeuten muss, die eigene Macht zu nutzen, um Alternativen durchzusetzen, wenn man denn regiert.
Die Protestler in Baden-Württemberg sollten deshalb nicht auf Parteien vertrauen, sondern erstens weiter um die Sache und zweitens gegen die Defizite der Repräsentativdemokratie kämpfen, die in Stuttgart so sichtbar zu Tage treten. Was die Sache angeht, war es gerade das parteienübergreifende Bündnis, das als außerparlamentarische Sachopposition schon Beachtliches bewirkt hat. Dies zeigt in einem Land wie Baden-Württemberg, wo direktdemokratische Prozesse so gut wie ausgeschlossen sind, dass gerade diesem außerparlamentarischen Demokratiebedürfnis Rechnung getragen werden muss.
Martin Kaul ist Redakteur für "Politik von Unten" bei der taz.
In einer Gesellschaft intersektionaler Konflikte braucht es echte Volksentscheidungen. Vielleicht haben die Grünen ja in dieser Hinsicht etwas zu versprechen. Aber sicher sein sollte man sich da nie.
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