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Kommentar GrotelüschenAstrid, halt durch!

Kommentar von Benno Schirrmeister

Viele halten es für wahrscheinlich, dass Astrid Grotelüschen in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr zurücktritt. Das wäre ausgesprochen bedauerlich.

V iele halten es für wahrscheinlich, dass Niedersachsens Agrarministerin Astrid Grotelüschen in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr zurücktritt. Das wäre ausgesprochen bedauerlich. Denn Astrid Grotelüschen ist ein Glücksfall für den Tierschutz, für die Bürgerinitiativen, die sich gegen die Hähnchen- und Puten-Fabriken in ihrer Nachbarschaft wehren - und für die gesamte niedersächsische Opposition.

Seit Christian Wulff sie als eine Art vergiftetes Abschiedsgeschenk im Kabinett installiert hat, reißen die Enthüllungen über die menschenverachtenden und kreaturfeindlichen Prinzipien der Massenmast nicht ab. Seit sie Ministerin ist versteht auch der Naivste, wie stark diese so finanzstarke wie volkswirtschaftlich schädliche Branche unverfroren mitregiert - weil Grotelüschen ihre Verstrickung in sie nicht bestreiten kann. Und weil sie durch dieses Metier so abgestumpft ist, empört sie sich auch nicht über die beschämenden und juristisch verdächtigen Bedingungen, unter denen Menschen in solchen Betrieben arbeiten. Sie kennt ja die Branche. Da ist das normal.

Astrid Grotelüschen wird keine Anstrengungen unternehmen, um das zu ändern. Aber als skandalöse Personalie hält sie das Interesse am Dauerskandal dieser Industrie wach. Sie ist derzeit die wirksamste Agentin von deren Abschaffung. Hoffentlich hält sie dem wachsenden Druck aus CDU-Fraktion und Kabinett stand.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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4 Kommentare

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  • MB
    M. B.

    Selten so gelacht- guter Artikel.

     

    Aber leider, leider gibt es hier Neuigkeiten:

    Sie tritt wieder an!

     

    Aber wenn man es aus der Sicht von Herrn Schirrmeister sieht und ich sehe es auch so:

     

    Gratulation, mit dem neuen Antritt von Frau Grotelüschen kommt es schneller zum Austritt ihrer Partei aus der Regierungsverantwortung.

     

    Nur weiter!

  • EW
    Eckard Wendt, AGfaN e.V.

    Frau Grotelüschen hätte aus Gründen des Interessenwiderstreits und damit wegen möglicher Befangenheit gar nicht erst in das Ministerinnenamt berufen werden dürfen.

    In der Tat ist sie für den Tierschutz ein "Glücksfall", denn so fokussierte sich das Medieninteresse wie auch das der Öffentlichkeit auf sie. Das Tierleid im System des Familienbetriebs Grotelüschen wäre anders wahrscheinlich ebenso verborgen geblieben wie die hemmungslose Ausbeutung osteuropäischer Arbeitnehmer zu Dumpinglöhnen durch Subunternehmer, die von der Familie Grotelüschen und Wiesenhof für den Geestland-Schlachthof engagiert wurden. Das alles ist systemimmanent und Insidern seit langem bekannt. Die meisten haben sich aber leider mit den Mißständen abgefunden oder schweigen, weil sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben oder befürchten, ihnen könnten Forschungsaufträge entgehen.

  • A
    Antonietta

    Das angeblich zarte Fleisch der Puten gilt als besonders gut verträglich. Millionen der Tiere werden jedes Jahr in Deutschland verspeist, doch kaum einer macht sich Gedanken darüber, wie die Puten gehalten werden. Auch den Gesetzgeber interessiert dies anscheinend nicht: Obwohl in Deutschland so gut wie alles per Gesetz geregelt ist, wird bei der Putenhaltung nichts geregelt. Jeder Mäster genießt eine Art Narrenfreiheit und könnte sogar noch mehr Puten in eine Halle pferchen, als er es jetzt schon tut. Tageslicht und grüne Wiesen, Platz zum Laufen und Heu zum Picken: So stellen sich Verbraucher eine Putenhaltung vor, doch in den meisten Fällen sieht die Realität ganz anders aus.

  • PB
    Pater Brown

    Super Kommentar, Herr Schirrmeister! Wenn die selbsternannte "Putenqueen" nur nicht so unsympathisch wäre. Und je länger sie bleibt, desto eher kommt doch noch eine strafgesetzbuchrelevanter Tatbestand heraus, für den sie dann gerade stehen müßte. Also lieber gleich weg mit dem Wulff-Kuckucksei und bei der nächsten Wahl die ganze verlogene Regierung gleich hinterher!