Kommentar Griechenland: Alter Wein in neuen Schläuchen
In Griechenland sind nach der Wahl die Konservativen am Ruder. Die neue Regierung verspricht viel. Das könnte neue Enttäuschungen produzieren.
G riechenland hat vor einer Woche die Konservativen in die Regierung gewählt. Das heißt: Das Land stellt weder den Kapitalismus als solches noch die Regeln internationaler Schuldenrückzahlungen im Speziellen infrage.
Griechenland hat aber auch einer der korruptesten Politikerkasten der Welt eine neue Chance gegeben, die durch Misswirtschaft und Klientelpolitik erst dafür gesorgt hat, dass das Land finanziell vor dem Ruin steht. Die ersten von der Regierung verkündeten Maßnahmen sprechen nicht dafür, dass diese Kaste irgendetwas dazugelernt hat.
Denn die Regierung ergeht sich wie gehabt zunächst einmal in Ankündigungen von Geschenken und Versprechungen. Die Löhne sollen steigen, die Renten sowieso und das Arbeitslosengeld wird verlängert. Zudem will man im öffentlichen Dienst niemanden entlassen. Diese Vorschläge sind sehr konkret.
ist Co-Leiter des Ressorts taz1.
Wesentlich wolkiger wird es, wenn es darum geht, etwas an den verkrusteten Strukturen zu verändern. Samaras verspricht weitere Privatisierungen – als ob es bisher schon welche gegeben hätte. Er kündigt eine Finanzreform an – auf die Europa schon lange genug wartet.
Durchsichtiges Spiel
Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich ist die finanzielle Lage vieler Griechen furchtbar. Jedoch: Es ist ein durchsichtiges Spiel, unbezahlbare Wohltaten zu versprechen, und, wenn Europa dieser Ausgabenpolitik widerspricht, die Bösen in Brüssel dafür verantwortlich zu machen, wenn diese nicht kommen.
Es ist wohlfeil, keine Entlassungen im öffentlichen Dienst anzukündigen und so die eigene Klientel ruhigzustellen. Dabei benötigt das Land nichts dringender als eine Entschlackung von der überbordenden Bürokratie der Sesselfurzer.
Die Regierung Samaras hat Griechenland mit ihrem Koalitionsvertrag einen schlechten Dienst erwiesen. Wenn sie so weitermacht, provoziert sie nur Enttäuschung in Athen und Zweifel an der Euro-Kompatibilität Griechenlands in Brüssel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen