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Kommentar Gewalt gegen RabbinerNatürlich ist es auch die Religion

Kommentar von Claudius Prösser

Es ist falsch, weltanschaulich getönte Gewalt immer nur auf soziale Schieflagen zu schieben - wie es etwa der evangelische Landesbischof tut.

E s gibt ein positives Vorurteil, das diese Stadt in Bezug auf sich selbst bis zur Materialermüdung pflegt. Es lautet: Berlin ist eine tolerante Stadt.

In Wahrheit ist die Toleranz auch in Berlin viel sparsamer dosiert, als wir uns weismachen. Es wird fleißig gehasst an Spree und Havel: Die einen hassen Fremde, die anderen Schwule, Autofahrer hassen Fahrradfahrer und umgekehrt. Und natürlich, was schwerer wiegt, hassen sich Religiöse aller Couleur.

Übertrieben? Klar. Aber es ist genauso falsch, weltanschaulich getönte Gewalt immer nur auf soziale Schieflagen zu schieben. Im Falle des von muslimischen Jugendlichen attackierten Rabbiners tut das Bischof Markus Dröge: „Man darf auf keinen Fall den Fehler machen, dies der Religion zuzuschreiben“, beeilte er sich zu warnen. Schlügen junge Männer zu, liege das „im Wesentlichen“ an Problemen wie fehlenden Berufschancen.

Auf Intoleranz gebaut

Wenn das so wäre, würden die Täter wahllos um sich prügeln. Sie suchten sich aber gezielt ein jüdisches Opfer. Das heißt nicht, dass ihre Religion ihnen das diktiert hätte. Aber es erinnert daran, dass Religionen – sorry, Herr Dröge – auf Intoleranz aufbauen und sie legitimieren. Wer glaubt, den einzig wahren Pfad zur Erlösung zu kennen, für den ist jede konkurrierende Route von Übel.

Vielleicht helfen ja „Lange Nächte der Religionen“, die Intoleranz am Rand aufzuweichen, die im Kern zu Taten wie in Friedenau führt. An erster Stelle sollte dabei stehen, dass wir uns in Sachen Religion ehrlich machen.

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17 Kommentare

 / 
  • D
    dobermann

    @ atalaya

     

    kann deinem kommentar voll und ganz zustimmen. auch dem letzten absatz. jedenfalls gilt die aussage für deutschland. hier sind z.b. sog. neoliberale in wirtschaft, politik und wissenschaft die größte gefahr für gesellschaft und zivilisation. weit vor neunazis und salafisten.

     

    die asozialität aus der mitte ist 100 mal gefährlicher als jeder nazis und salafist da am rande stehend.

     

    @ atalaya, @ Hans und alle andere:

     

    schaut mal im netz an dem film shahada von Burhan Qurbani.

     

    hat seine filmseite mit trailer und so. ein toller film. die 3 geschichten spiellen in berlin.

     

    "islam ist die lösung"? heißt es doch oft in "diesen" kreisen. am ende gibt es eine eindeutige antwort darauf.

     

    hab den film 3 mal gesehen.

  • A
    atalaya

    Dobermann:

     

    "das sagen sie. ich sehe das genau so. nur sehen das "wahrhaftig" gläubige anders als sie und ich. das geschrieben wort ist gottes wort und interpretationen, ein spielraum für verschiedene auslegung des textes, sowie eine historisch-kritische analyse lehnen z.b. evangelikale christen, orthodoxe juden oder wahabitische muslime ab."

     

    Ganz richtig, auch dass sie "wahrhaftig" in Anführungszeichen gesetzt haben. Wer der Überzeugung ist, das geschriebene Wort sei Gottes Wort, glaubt nicht mehr, sondern er "weiß". Zu dumm jedoch, dass er es nicht bei seinem inwendigen "Wissen" bewenden lässt, sondern meint, dieses auswendig verteidigen und anderen aufdrücken zu müssen.

     

    Wahrhaft gläubige Menschen sind keine Fanatiker und Dogmatiker. Und es gibt nicht nur viele dieser wahrhaft Gläubigen in den Kirchen, Synagogen und Moscheen, sondern sie sind sogar die Mehrheit.

     

    Dennoch hat auch diese Mehrheit, ebenso wie die sich undogmatisch, unideologisch und unreligiös dünkende Mehrheit außerhalb der Gotteshäuser, genug latentes und patentes Potential zm Vorurteil gegen und zum Hass auf andere. Rassismus und Antisemitismus steckt in ganz vielem drin, wo es nicht draufsteht und ist auch dort zu finden, wo das Gegenteil draufsteht.

     

    Mich zumindest ängstigt weit mehr der Traum der Vernunft, der in der sich für aufgeklärt haltenden Mehrheitgesellschaft nicht besonders tief schläft als die offenbare Unvernunft bei einem geringen Teil von selbsternannten Anhängern eines behaupteten wahren Glaubens.

  • H
    Hans

    @dobermann

    Klar, Realität und Traum divergieren, doch man darf doch mal träumen dürfen :)

     

    Und ich möchte hier nicht die genauen Wortlaute einer über tausend Jahre alten (und veralteten) Schrift und ihre moralischen Vorstellungen verteidigen...

    ...wie gesagt, als Götzenanbeter habe ich danach auch nur das schlimmste verdient.

     

    Aber eine/r muss doch mal anfangen auf die andere Seite zuzugehen und mit dem Dialog zu beginnen. Klar mag auch die Lage in Ländern wie in Israel nicht so einfach sein, aber irgendwo muss begonnen werden...und vielleicht auch Opfer gebracht werden, aber Gewalt, Hass und Intoleranz nutzen nur Extremisten und Fanatikern.

  • A
    atalaya

    Adorno war der Ansicht, dass es den Antisemitismus auch ohne die Juden geben würde. Ein Zitat hierzu:

     

    "Erst die Blindheit des Antisemitismus, seine Intentionslosigkeit, verleiht der Erklärung, er sei ein Ventil, ihr Maß an Wahrheit. Die Wut entlädt sich auf den, der auffällt ohne Schutz. Und wie die Opfer untereinander auswechselbar sind, je nach der Konstellation: Vagabunden, Juden, Protestanten, Katholiken, kann jedes von ihnen anstelle der Mörder treten, in derselben blinden Lust des Totschlags, sobald es als die Norm sich mächtig fühlt."

  • H
    Holzer

    Ist die momentane Häufung solcher Vorfälle,wenn man das so bezeichnen kann,Zufall....oder wurde da bewußt verschwiegen,verharmlost die übliche Appeasement Politik betrieben!?Weil solche Angriffe,leider,wie letztens erst in der Taz zu lesen war von Muslimen begangen werden?Polizisten müssen sich verprügeln,nieder stechen lassen etc. und Juden sollen halt keine Kipa aufsetzen um die Religiösen des Friedens nicht zu provozieren!Das ist alles einfach nur arm und in der Taz noch nicht mal mehr,jüdische Schülerinnen in Berlin von "Südländern antisemitisch beleidigt,eine Meldung wert!

  • D
    dobermann

    @ Hans

     

    zitat:

     

    "... Und eine Koranauslegung ist immer noch eine AUSLEGUNG, so wie meine Worte auch. Was die Wahrheit ist definieren MENSCHEN, Mensch...."

     

    das sagen sie. ich sehe das genau so. nur sehen das "wahrhaftig" gläubige anders als sie und ich. das geschrieben wort ist gottes wort und interpretationen, ein spielraum für verschiedene auslegung des textes, sowie eine historisch-kritische analyse lehnen z.b. evangelikale christen, orthodoxe juden oder wahabitische muslime ab.

     

    ich möchte jetzt hier keine suren zitieren, aber es gibt einfach stelle im koran, in der bibel genau so und vor allem im alten testament, die sind so eindeutig, das man da nicht groß versuchen kann, die aussage in richtung einer humanitären version hin zu biegen. man denke an das verbot, das eine muslimische frau sich nicht in einen christlichen ( bzw. anders gläubigen ) mann zu verlieben hat etc.

     

    zitat:

     

    " ... Statt sich von Vorurteilen überwältigen zu lassen, sollte man die anderen Menschen umarmen und sie an der eigenen Barmherzigkeit erleuchten lassen...."

     

    macht das auch mal "die andere seite " ?

  • H
    Hans

    @D.J.:

    Selber Unsinn!

     

    "Sure 9,29 (Übersetzung Paret).

     

    „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“

     

    Die Koranauslegung (Tafsire) hat diesen Vers immer auf Juden und Christen bezogen; die klassischen Rechtsschulen stets ihre dauerhafte Geltung betont."

     

    Erstens sagt die Sure nur: "diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben", was Juden und Christen nicht betrifft, da sie an Gott und den jüngsten Tag glauben",

     

    "der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben" meint die Religion des Buches, als die abrahamitischen Religionen.

     

    Und eine Koranauslegung ist immer noch eine AUSLEGUNG, so wie meine Worte auch. Was die Wahrheit ist definieren MENSCHEN, Mensch.

     

    Statt sich von Vorurteilen überwältigen zu lassen, sollte man die anderen Menschen umarmen und sie an der eigenen Barmherzigkeit erleuchten lassen.

  • D
    D.J.

    @Hans:

     

    "Der Koran ruft nicht zur Unterwerfung und Tötung von Juden und Christen auf."

     

    Was Sie schreiben, ist natürlich hanebüchener Unsinn. Beispiel:

     

    Sure 9,29 (Übersetzung Paret).

     

    „Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“

     

    Die Koranauslegung (Tafsire) hat diesen Vers immer auf Juden und Christen bezogen; die klassischen Rechtsschulen stets ihre dauerhafte Geltung betont.

  • M
    Michel

    Ich find's immer witzig wenn im Namen von Religionen zur Toleranz aufgerufen wird. Wie gerade wieder in Berlin zur "Nacht der Religionen".

     

    Als ob Religionen jemals irgendetwas mit Toleranz zu tun hatten. Die doch gerade nicht. Noch nie wurde so fleißig unterdrückt und ermordet wie im Namen von Religionen.

     

    Moslem verprügelt Juden, wär garantiert nich passiert, wenn es keine Religionen gäbe. So siehts doch mal aus....

  • D
    dobermann

    @ noname

     

    zitat:

     

    "... Sollte man dann vielleicht auch das Verhalten Rechtsextremer, die getauft wurden und formal Katholiken oder Protestanten sind, automatisch mit der Bibel erklären?!?..."

     

    berufen sich neunazis auf jesus und die bibel? nö .

    berufen sich zb sog. salafisten auf den koran? ja.

     

    dein vergleich passt nicht. besser manche evangelikale fundi- christen und islamische fundis.

     

     

    zitat:

     

    ".... By the way, wer hat den bislang bewiesen, dass diese Schläger-Typen fromme Muslime sind?..."

     

    ich kann net mehr hören. das bei hassdelikten mit islamischem hintergrund immer nur gesagt wird: das-ist-nicht-islam-das-hat-nichts-mit-uns-zu-tun.

     

    das wird nach solchen atacken immer gesagt. sein jahren. ändern tut sich dadurch nichts. wieso auch, muss man sich doch nicht um AUCH die rolle der religion kümmern. eben schön einfach abkürzen: "das sind keine richtigen muslime."

     

    mich würde interessieren @ noname wie du frommer muslim definierst? was ist denn ein "richtiger" muslim ?

  • N
    noname

    Sollte man dann vielleicht auch das Verhalten Rechtsextremer, die getauft wurden und formal Katholiken oder Protestanten sind, automatisch mit der Bibel erklären?!?

    Wieso setzt - immer wenn es um "Muslime" geht - der Verstand bei so vielen aus? Ist es so schwer vorstellbar, dass Muslime auch eine politische Gesinnung haben und nicht einfach nur den ganzen Tag lang Muslime sind, die den Koran "umsetzen"? By the way, wer hat den bislang bewiesen, dass diese Schläger-Typen fromme Muslime sind?

  • I
    imation

    "Es wäre gut, wenn die Islamverbände sich von den juden- und christenfeindlichen Äußerungen im Koran, und auch von den zahlreichen darin enthaltenen "Befehlen Allahs" zum Kampf gegen Ungläubige distanzieren würden."

     

    Das können die ebensowenig wie sich Christen davon distanzieren Jesus für Gottes Sohn zu halten.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Jüdische Menscehn gehören zu Deutschland

    In Deutschland blühte einst jüdisches Leben,bis zum Zeitpunkt der Epoche was 1933-1945 anbetrifft.

    Menschen wurden deportiert ,in die Gaskammer gechickt.

    Der Übergfriff auf einen Rabbiner zeigt,dass in Deutschland es nach wie vor eie latente Judenfeindlichkeit gibt,die sich immer wieder zeigt.

    Die Demonstration für den zu Schaden gekommenden Rabbiner zeigt,dass es auch in Deutschöland Menschen gibt,die sich vor dem jüdischen Menschen,Mitmenschen stellt.Ein Hoffnungsschimmer

    für eine Gesellschaft in der Rassismus,Rechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit vorhanden ist.

  • H
    Hans

    @Petra Hollmann:

    Ich empfehle Ihnen diesen Link:

    http://www.talmud.de/cms/Was_sagt_der_Koran_zum_Ju.39.0.html

     

    Der Koran ruft nicht zur Unterwerfung und Tötung von Juden und Christen auf. So ein Unsinn. Negative Worte werden nur zu Ungläubigen (Menschen ohne Glauben) und Götzenanbetern (z.B. Hinduismus, Buddhismus) gefunden, wobei der Islam das historisch auch relativiert hat (aber ich als Götzenanbeter das trotzdem als deutlich problematischer ansehe).

     

    Aber insgesamt geht es nicht um das Buch, sondern um die Menschen, die es auslegen. Und ja, auch unter Muslimen gibt es intolerante Menschen, wie auch unter allen anderen gläubigen und nicht-gläubigen Menschen...

  • D
    dobermann

    -- love god hate religion --

     

    @ Petra Hollmann

     

    was ich bei solchen diskussionen auch immer anstrengend ist, das du sehr schnell von beiden seiten als rassist abgestempelt wirst. von linken wie von islamverbänden.

     

    wenn jugendliche einen mann zusammenschlagen, die begründung dann die jüdische religionszugehörigkeit des opfer ist und ich dann oft die rolle der islamischen religion bei den tätern nicht ansprechen darf, weil das den nazis in die hände spielen würde.

     

    wenn ich einen andereas nicht mag, dann sag ich das dem und wenn ich einen ahmet nicht mag, dann sag ich das dem auch. warum soll ich den bei peter mich normal verhalten und bei ahmet nicht?

     

    klare ansage an hass-gewalttäter, egal ob es der nazischläger ist oder ein religionsbesoffener.

  • C
    Carsten

    Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Die taz kritisiert (zumindest ansatzweise) den Islam! Ich frage mich auch schon lange, warum die Linke dabei bisher völlig versagt hat, obwohl Religionskritik doch ihre historische Kernkompetenz sein müsste.

  • PH
    Petra Hollmann

    Es ist problematisch, dass der Koran Juden diffamiert und zu ihrer Unterwerfung und Tötung aufruft. Wenn die jungen Menschen den Koran für Allahs Wort halten, dann sind sie davon überzeugt, richtig zu handeln, wenn sie Juden angreifen.

    Es wäre gut, wenn die Islamverbände sich von den juden- und christenfeindlichen Äußerungen im Koran, und auch von den zahlreichen darin enthaltenen "Befehlen Allahs" zum Kampf gegen Ungläubige distanzieren würden. Solange sie aber betonen, dass der Koran unverändert Gottes Wort darstellt, ebnen sie der Gewalt gegen Andersgläubige den Weg. Leider stellen sich die Islamverbände diesem Problem nicht, sondern reden nur von "falsch verstanden", "aus dem Zusammenhang gerissen", obwohl weltweit Muslime das genauso verstehen, wie es die jungen Angreifer verstanden haben: wörtlich.