Kommentar Gesundheitsreform: Kein Grund für Loblieder
Das Gesundheitssystem wird in der nächsten Legislaturperiode wieder von Grund auf überarbeitet werden müssen. Dies wird politische Drecksarbeit.
S ie ist noch einmal davongekommen, die Gesundheitsreform. Privatversicherer müssen weiter Ältere oder Kranke als Mitglieder aufnehmen - auch wenn sie statistisch mehr Geld kosten. Zusammen mit einem gedeckelten Basistarif war dies der Grundsatz eines Vorhabens, das den Wettbewerb zwischen privaten und gesetzlichen Kassen gerechter gestalten sollte. Hätte das Verfassungsgericht den Privatversicherern nun Recht gegeben, wäre es der Todesstoß für die Reform gewesen.
Dass die Koalitionsparteien nun ein Loblied auf Transparenz, Wettbewerb und Versichertenorientierung der aktuellen Gesetze anstimmen, ist politisch verständlich - aber an der Realität der Arztpraxen vorbei. Und genau daran ändert dieses Urteil nichts.
Denn über eins sollte das positive Votum nicht hinwegtäuschen: Die Ungerechtigkeiten und Fehler im System bleiben bestehen. Immer noch ist es lukrativ, bei gesunden Menschen chronische Krankheiten zu diagnostizieren und in kürzester Zeit so viele Patienten wie möglich durch die Praxis zu schleusen.
Hausbesuche oder intensive Patientengespräche sind hingegen ein Akt der Nächstenliebe - die aufgebrachte Zeit honoriert das System den Ärzten nicht. Kein Wunder, dass die Mediziner kaum noch dazu bereit sind. Und das bei den mit 15,5 Prozent höchsten Beiträgen, die je verlangt wurden - plus zusätzlich benötigte Steuermilliarden.
Das Gesundheitssystem hat so keine Zukunft. Es wird in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgeschnürt und von Grund auf überarbeitet werden müssen. Dies wird politische Drecksarbeit, so wie es schon die letzte Reform war. Doch sie muss erledigt werden.
Um hierfür den politischen Willen zu schaffen, wäre vorm Verfassungsgericht ein anderes Urteil günstiger gewesen. Denn ein faktischer K.O.-Schlag hätte die Türen für einen echten Neuanfang weit geöffnet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen