Kommentar Gerhard Schröder: Fehlende Transparenz
Ex-Bundeskanzler Schröder reist in den Iran - warum, ist unklar. Die Öffentlichkeit hat jedoch einen Anspruch auf diese Information.
Es gibt Beispiele für geglückte politische Initiativen nach dem Ende einer Amtszeit. Das Schlichten eines Tarifstreits. Oder Friedensmissionen wie die, mit denen der tansanische Präsident Julius Nyerere bis zu seinem Tod unterwegs war. US-Präsident Jimmy Carter bekam Jahre nach seiner Wahlniederlage den Friedensnobelpreis. Niemand verlangt also von ehemaligen Würdenträgern politische Abstinenz. Im Gegenteil. Gelegentlich mag erst der Rückzug aus den Zwängen öffentlicher Ämter jenes Maß an Freiheit liefern, das Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Mittlertätigkeit.
Barack Obama hatte im Wahlkampf erklärt, sich gegebenenfalls ohne Vorbedingungen mit Staatsoberhäuptern von Ländern wie Kuba und dem Iran treffen zu wollen. Das war vermutlich naiv - Ergebnisse von Gipfeltreffen werden üblicherweise im Vorfeld auf niedrigeren diplomatischen Ebenen ausgehandelt. Zugleich aber hat sich Obama damit klar vom Kurs der Konfrontation abgegrenzt, den sein Vorgänger pflegten. Deutlicher hätte er nicht ausdrücken können, dass er der Diplomatie wieder zu ihrem Recht verhelfen will.
Wenn man all das berücksichtigt: Warum hinterlässt die Reise von Gerhard Schröder in den Iran einen so schalen Geschmack? Vor allem deshalb, weil man nicht weiß, ob der frühere Bundeskanzler seine Reise im Auftrag angetreten hat (und in wessen Auftrag) oder ob er auf eigene politische Rechnung nach Teheran geflogen ist.
Auf diese Information hat die Öffentlichkeit jedoch einen Anspruch. Sie zahlt Amts- und Mandatsträgern nicht aus Jux und Tollerei eine großzügige Altersversorgung. Die Gesellschaft will vielmehr verhindern, dass ehemalige Würdenträger für das Bestreiten des Lebensunterhalts auf die Vermarktung ihres Namens angewiesen sind.
Das bedeutet auch: Der Abschied vom Amt bedeutet nicht das Ende aller Verpflichtungen. Der Exkanzler scheint in dieser Hinsicht wenig sensibel zu sein. Wie sich bereits 2005 aus der kommerziellen Verbindung zwischen Gerhard Schröder und dem russischen Gasriesen Gazprom schließen ließ. Nun ist er also in den Iran gereist, ohne dass man weiß, warum. Das schadet. Ihm, seiner Partei und seinem Land.
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