Kommentar G20-Gipfel und Putin: Prinzipielle Prinzipienlosigkeit
Putin geht es gut: Endlich interessiert sich die Welt wieder für ihn. Der Krieg in Syrien hat ihn wieder zum „Global Player“ gemacht.
D er G-20-Gipfel in Sankt Petersburg ist für den russischen Präsidenten auch ein persönlicher Gipfel. Nicht nur, dass er als großzügiger Gastgeber im Mittelpunkt des Events steht. An der Medienfront gelingt es Putin sogar, einen Teil der verlorenen globalen Geltung Moskaus zu revitalisieren. Dank Syrien ist Putin wieder zum Global Player geworden.
So stehen die Brics-Staaten hinter dem Kremlchef, denn auch sie lehnen eine Intervention gegen das Assad-Regime ab. Und mit ihrer Zögerlichkeit spielen selbst die Europäer dem listigen Wladimir in die Hände.
Putins Argumente gegen eine Einmischung überzeugen, zumindest auf den ersten Blick: Nichts sollte ohne den UN-Sicherheitsrat und gegen internationales Recht unternommen werden. Und was die Beweise für Assads Giftgasangriff angeht: bitte schön, auf den Tisch damit! Schließlich: Haben die US-Interventionen in der Region am Ende nicht immer den Terroristen zum Durchbruch verholfen?
Der Haken ist: Es gibt keine Beweise, die Putin akzeptieren würde. Täte er das, würde er das für Russland alles entscheidende Souveränitätsprinzip und das Vetorecht im Sicherheitsrat aushebeln. Auch die Einschätzung, das jeder Eingriff nur den Terrorismus befördere, basiert auf einer groben Gleichsetzung von islamistischen Politikern und Dschihadisten. Moskau ist nicht einfühlsamer als die USA. Der Kaukasus beweist es.
Daher kann Moskaus Position keine Alternative sein. Im Gegenteil: der Kreml nimmt den Zerfall Syriens bewusst in Kauf, mit fatalen Konsequenzen für die gesamte Region. Es ist die Verantwortungslosigkeit der russischen Politik, die sie rational erscheinen lässt. Doch das Einzige, das Putin interessiert, ist die Desavouierung der USA. Mit Vernunft hat das nichts zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“
Gründe für das Aus der SPD-Kanzler
Warum Scholz scheiterte