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Kommentar FremdenfeindlichkeitPolitik mit dem Feind

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Wer sich ausgeschlossen und machtlos fühlt, ist besonders anfällig für rechtsextreme Einstellungen. Dagegen hilft in erster Linie eines: Teilhabe

R eden, reden, reden, überzeugen. So lautet für viele noch immer die richtige Strategie, um gegen fremdenfeindliche Ressentiments vorzugehen. Doch sie fruchtet nicht. Rechtsextreme Einstellungen sind heute so weit verbreitet, dass es kaum eine gesellschaftliche Mehrheit gibt, welche die aussätzigen Extremisten da drüben am Rand belehren könnte. Denn Rechtsextremismus ist nichts Randständiges, sondern mitten unter uns: in der Kirche, in der Gewerkschaft, in der Partei. Wer dagegen angehen will, muss nicht quatschen, sondern die richtigen politischen Schlüsse ziehen.

Gerade wer sich ausgeschlossen und machtlos fühlt, ist besonders anfällig für die Skepsis und den Hass gegenüber Fremden. Diese Machtlosigkeit hat zwei Facetten. Zum einen nährt sie sich aus dem Gefühl, keine Stimme im politischen Prozess zu haben. Wer sowieso nicht erhört wird, wünscht sich anstelle der halben Wahrheit lieber die Ganze: eine starke Partei, einen starken Führer.

Hinzu kommt die materielle Ausgrenzung, die viele Menschen täglich erfahren, die sie ihr Alltagsleben als perspektivlos empfinden lässt - und für die sie einen Sündenbock suchen. Beide Phänomene lassen sich mit einem Terminus fassen: mangelnde gesellschaftliche Teilhabe. Wer rechtsextreme Einstellungen bekämpfen will, muss Teilhabe ermöglichen. Hierzu eignen sich auf materieller Seite etwa Vorschläge für ein Grundeinkommen oder die Einführung von Mindestlöhnen.

Bild: Gianmarco Bresadola

Martin Kaul ist Redakteur für "Politik von Unten" bei der taz.

Daneben muss Politik aber auch endlich direktdemokratische Spielräume eröffnen, in denen die Menschen nicht nur oberflächlich beteiligt werden. Wie schwer das fällt, zeigt derzeit das Beispiel des strittigen Bahnprojekts Stuttgart 21. Beides - materielle und demokratische Teilhabe - ist eine Voraussetzung für eine plurale und differenzierte Gesellschaft, die keine populistischen Feindbilder nötig hat.

Das Drama ist nun: Diese Voraussetzungen zu schaffen, wäre Aufgabe der Politik. Diese kann von der populistischen Feindbild-Rhetorik aber auch durchaus profitierten. Solange sich die Hassreflexe zuverlässig gegen andere richten, geraten die mächtigen Politikgestalter aus dem Fokus. Dieser traurige Zirkelschluss ist der strukturelle Grund, weshalb es ein politisches Interesse an einem stets neuen Feind gibt. Und eine Sozialpolitik, die noch immer andere für ihre Defizite büßen lässt.

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Martin Kaul
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10 Kommentare

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  • DP
    Daniel Preissler

    @Lucia

    Stellen wir uns 2 Länder vor, gleich groß, gleiche Bedingungen. Einziger Unterschied: Im einen Land ist Gruppe A in der Mehrheit, genauso stark im anderen Land Gruppe B. Wenn Sie zur Gruppe B gehören im 2. Land gehören (also zur dortigen Mehrheit), die im ersten Land benachteiligt wird (durch Steuern oder Progrome oder Nachteile im Berufsleben oder an der Uni), finden Sie es dann richtig, dass man (sozusagen ausgleichender Weise) es im zweiten Land mit der Gruppe A genauso macht?

     

    Und, liebe Lucia, in Wirklichkeit ist es noch komplizierter. Aber erstmal dieser eine Punkt: Die Moslems, die hier leben, können nicht gleichzeitig die Unterdrückung anderer Religionen in anderen Ländern bewerkstelligen.

     

    Haben Sie früher in der Schule einem schwachen Jungen eine geknallt, wenn Ihnen ein stärkerer Junge was getan hat? Gerecht? Dann nur weiter so.

     

    Grüße, Daniel

  • R
    Redperry

    Und was vollkommen unangenehm ist: In dieser Taz wird ein Weltanschauungskrieg ausgerufen! Herr Kaul spricht von "Feinden"! Das ist gegenüber Rassisten und Neofaschisten richtig! Bei der Taz bekommt man aber den Eindruck, dass jede Islamkritik subsumiert, plattgemächt und denunziert werden soll°!

  • R
    Redperry

    Ich bin mit Herrn Kaul vollkomen einer Meinung, wenn er als Linker, Grüner, Alternative auch jenen Teil der muslimischen Bevölkerung kritisiert, die chauvinistisch, fanatisch und nationalistisch agieren! Bei Stuttgart 21 gebe ich zu Bedenken, dass die Grünen, SPDler, Gewerkschafter den Protest vollkommen verpennt, wenn Sie nicht dafür waren, haben als es darauf ankam - vor fünfzehn, zwanzig Jahren!

  • L
    Lilo

    Aber der Kommentator spricht doch gerade an, wie die Probleme gemildert und bei akkurater Durchführung beseitigt werden könnten, sofern es denn seitens unserer so genannten "Volksvertreter", die gerade an der Regierung sind, gewollt wäre. Es mangelt hier aber eher am politischen Willen, nicht vorrangig am Verhalten von Mitbürgern. Für sich daneben verhaltende Mitbürger haben wir eine gute bestehende Gesetzgebung und das Grundgesetz. Was für uns alle recht ist, ist es auch für diese. Nur tut man so, als ob für ausländische Mitbürger irgendwie andere Gesetze herrschten, dies ist aber mitnichten so.

     

    Das Problem sind doch derzeit solche Politiker, die sich weigern, eine ausgewogene Teilhabe von allen Bürgern - Deutschen wie Migraten - am Vermögen, an Chancen zur Arbeit, zur Erlangung von Bildung, zur Altersvorsorge, zu Gleichberechtigung verhindern. Weshalb tun sie das?

     

    Antwort: Es ist billiger, wenn sie von sich ablenken, damit sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen müssen und es ist leichter, die Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Die wahren Schuldigen sind die, die diese sozialen Missstände nicht beseitigen, sondern auch noch in die falsche Richtung hetzen.

     

    Diese vehemente Verweigerung treibt die Leute gegeneinander, die nun die Ursache für gewisse Missstände eben ausschließlich bei ausländischen Bürgern oder Migranten suchen, statt zu sehen, dass die Politik sie hängen lässt, nicht die ausändischen Bürger oder Migranten.

     

    Frage: Selbst wenn sich gewisse Menschen nicht integrieren wollen, dazu zählen teilweise auch gewisse Deutsche, die das Grundgesetz ebenfalls nicht anerkennen wollen, dann muss auch bei diesen die Politik tätig werden, Möglichkeiten schaffen, dass der Arbeitsmarkt und die soziale Absicherung so gestaltet ist, dass Sozialgesetze gerecht sind, nicht die Menschen sich selbst überlässt und Arbeit angemessen entlohnt wird - für alle.

     

    Schafft das eine Regierung nicht, so muss sie wenigstens chancengleiche und soziale Alternativen bringen oder abgewählt werden, statt das Volk gegeneinander aufzuhetzen.

  • PR
    Peter Reichelt

    Gerade wer sich ausgeschlossen und machtlos fühlt, ist besonders anfällig für die Skepsis und den Hass gegenüber Fremden......... anders denkenden Menschen. Schreibt man halt für die taz. Da ist man noch wer.

  • LD
    Lasst die Kirche im Dorf und die Moschee in Arabien

    Übrigens kam das Minarett-Verbot durch eine VOLKSABSTIMMUNG zu Stande. Genauso, wie der FPÖ Wahlerfolg, Geert Wilders, die konservative Regierung in Ungarn usw. usf. Nur wer war einer der lauteste Kritiker dieser wahrhaften Volksentscheidungen, soweit ich mich erinnere waren es der linke Rand mitsamt der TAZ.

    Man kann nicht einerseits Volksabstimmungen fordern, um hinterher das Volk für seine freie Entscheidung zu beschimpfen und ein Übergehen der Volksentscheidung zu fordern...

  • L
    Lucia

    @ Martin Kaul:

     

    „...Rechtsextreme Einstellungen sind heute so weit verbreitet...“:

     

    Wie definieren Sie denn „Rechtsextrem“?

     

    Gehört Islamkritik auch dazu?

     

    Es wird ständig Toleranz gegenüber dem Islam nicht nur von Muslimen eingefordert...

     

    Wie geht der Islam in seinem Herrschaftsbereich mit Minderheiten um (Christen, Bahai, etc)?

     

    Wenn Menschen mitten unter uns. „... in der Kirche, in der Gewerkschaft, in der Partei...“

     

    über solche Intolerante Einstellungen ihr Unbehagen äußern sind sie rechtsextrem?

  • L
    leudoc

    Entschuldigung, aber ich bin über diesen Kommentar ein wenig erschüttert. Er hätte in genau dieser Form vor einem halben, einem oder auch fünf Jahren veröffentlicht werden können und zeigt damit, daß der Autor offensichtlich völlig unbeeindruckt von den Entwicklungen der letzten Monate geblieben ist. Menschen, die sich teilweise aus ganz naheliegenden, täglich erfahrbaren Gründen um unterschiedliche Dinge sorgen in ihrer Gesamtheit als rechtsextrem darzustellen ist ein wenig lösungsorientierter Reflex, der meiner Meinung nach inzwischen überholt sein sollte.

  • V
    vic

    Ich, native german, fühle mich zunehmend ausgeschlossen von meinen rechtstendenziellen- extremen Mitbürgern, die alles und jeden hassen der nicht wie sie selbst ist.

    Von Regierung und Medien will ich dabei gar nicht reden.

    Das Schlimmste aber ist; mit diesem Volk müssen m.E Volksbefragungen, Bürgerbegehren oder Plebiszite unbedingt verhindert werden.

    Allein der Gedanke macht mich frösteln.

  • K
    karcsi

    Sie haben zwar recht, dass es den mächtigen recht kommt andere prbleme als ausreden zu verwenden, trotzdem gibt es eine menge probleme im zusammenleben (ich lebe in einer armengegend von wien): die spielplätze sind in ausländischer hand, österreichische kinder haben offensichtlich angst dort zu spielen. in der hauptschule (10-14-jährige unterschichtskinder) nehmen lt. mir bekannten eltern gesinnungsterror durch moslems zu (verachtung und unterdrückung von frauen etc.). und ich bin kein rassist, ich habe noch nie eine rechte partei gewählt.