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Kommentar FreilassungenCuba Libre? Leider nein

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Kuba will alle politischen Gefangenen freilassen. Das ist gut, aber noch kein Systemwandel.

E s ist eine gute Nachricht. Kuba will alle politischen Gefangenen freilassen - und sie müssen noch nicht einmal die Insel verlassen. Wenn sich wirklich bewahrheitet, was Spaniens Außenminister Miguel Ángel Moratinos und Kubas Parlamentspräsident Ricardo Alarcón gestern und vorgestern verkündeten, wäre das ein Riesenfortschritt. Allerdings nicht ohne Haken.

Erinnert sich noch jemand an das perfekt organisierte DDR-System der Devisenbeschaffung durch Freikauf? Die DDR sperrte politisch unliebsame Personen ein - und die Bundesrepublik zahlte harte D-Mark, damit die Leute freikamen und gen Westen ausreisen konnten. Was für die Einzelnen eine große Hilfe war, änderte am Prinzip der systematisch unterdrückten Meinungsfreiheit nichts.

Auch in Kuba sind die gleichen Gesetze, nach denen die jetzt zur Freilassung anstehenden gewaltfreien politischen Gefangenen einst verurteilt wurden, weiterhin in Kraft. Niemand kann vorhersagen, ob nach einer Freilassung womöglich eine neue Verhaftungswelle droht. Dem Regime steht wirtschaftlich das Wasser bis zum Hals, Kuba braucht dringend neue Kredite - nur deswegen konnte Spanien mit der Aussicht, eine Lockerung der gemeinsamen europäischen Kuba-Position zu bewirken, die Freilassungen erreichen. Ein Systemwandel aber ist das noch nicht. Und dass Fidel Castro jüngst mehrfach in der Öffentlichkeit auftrat, zeugt klar vom Willen, bloß nichts zu ändern.

Die große Frage für die nächste Zukunft wird sein, ob die US-Regierung ebenfalls die Freilassungen zum Anlass nimmt, ihre Embargo-Politik zu hinterfragen, die seit allzu vielen Jahren politisch kontraproduktiv wirkt. Das US-Embargo ist genauso von vorgestern wie Kubas politisches System. Nichts könnte mehr Bewegung in die kubanische Politik und Gesellschaft bringen als eine Aufhebung des Embargos.

Das Ziel ist klar: Die KubanerInnen müssen endlich die Gelegenheit bekommen, über ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu entscheiden, sich politisch zu streiten, ihre Meinung zu sagen, politische Parteien und Gewerkschaften zu bilden - ganz, wie sie das wünschen. Der Versuch, das System durch wirtschaftliche Erdrosselung zu solchen Veränderungen zu zwingen, ist fehlgeschlagen. Es braucht den Willen zur Veränderung unter menschenwürdigen Bedingungen - der Westen kann den Anfang machen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

7 Kommentare

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  • K
    Ksenia

    Warum soll die USA das Embargo aufheben? Dürfen die nicht mehr frei entscheiden?

  • J
    Julia

    Kuba versorgt halb Lateinamerika mit Ärzten, hat die geringste Analphabetenquote und die höchste Abiturquote Lateinamerikas. Es wurde auch von den UN ausgezeichnet für den besten Mix aus Lebensstandard und Nachhaltigkeit.

     

    Da "Meinungsfreiheit" einführen zu wollen, also: Kapitalismus, also: Mafiagangs, Bildzeitung, Drogenkartelle, Obdachlose, CDU/CSU, Riesenpuffs etc. wäre wohl Wahnsinn.

  • J
    Jens

    Lieber Herr Auslandkorrespondent,

     

    komisch ist nur, dass sich die meisten Länder sehr positiv zu Kuba äußern, oder? In Südamerika hat wohl eher der Kapitalismus versagt. Wenn Kuba per se mit dem Sozialismus untergeht, dann können die USA doch das Embargo aufheben, oder? Wenn es in den Betrieben durch die arbeitenden Menschen keine Partizipation gibt dann muss ich schon lachen. Warten Sie mal ab, wenn die Russen endlich die große Erdölblase anzapfen wie schnell sich Kuba dank Planwirtschaft entwickeln wird. Denn die Gewinne bekommt der Staat nicht der Kapitalist, und der Staat wird Traktoren kaufen. Sie werden es noch erleben. Und in einer bürgerl. Demokratie können die Menschen nicht mitreden in Kuba schon!

  • B
    brotlos

    ich gebe dem kommentar in den meisten punkten recht, bis auf den schluß.

    sicherlich ist es eine schöne vorstellung,den menschen die macht zu geben, nur wie soll das funktionieren?

    nicht von ungefähr kam es,dass kuba unter us amerikanischer (u.a.) kontrolle stand.

    ein anderes beispiele hierfür ist sicherlich auch mexiko und weitere süd-amerikanische länder.

    die frage und das problem wird bei einer "demokratisierung" und öffnnung/liberalisierung kubas sein,wie sich die usa verhalten und in wie weit einfluss nehmen wird. hier kann es für die bevölkerung ganz schnell zum boomerang werden...

  • R
    Reiner

    Noch ein Nachtrag: Schauen wir uns doch mal Cubas Wirtschaftswachstum an. Um nicht unglaubwürdig zu werden, nehmen wir dazu die Quelle des Erzfeindes USA: Das CIA Worldfactbook. Hier ist für Cuba 2009 ein Wirtschaftswachstum von 1,4% verzeichnet, nach 4,3% (2008) und 7,3% (2007). Die Inflationsrate bleibt im gleichen Zeitraum unter der jeweiligen der BRD. Wie kann man hier also ohne Propaganda betreiben zu wollen von einem bankrotten System sprechen? Cuba hat ein robuste Wirtschaft und das Wachstum ist prozentual immerhin höher als das der der BRD. Auch wenn das vielen nicht so recht ins Antikommunistische Bild passen dürfte, wirtschaftlich ist alles im Lot!

  • R
    Reiner

    Ein typischer West-Kommentar. Wer in Lateinamerika geboren wird, hat nur auf Cuba durchweg gute Bildungschancen und medizinische Versorgung, egal welcher Schicht er angehört. Klar, das System entspricht nicht westlichen Standarts. Aber vor die Wahl gestellt zu verhungern oder eine gute Ausbildung durchlaufen zu können würden die meisten dann wohl doch lieber Cuba statt Kolumbien wählen, so sie es denn könnten.

  • S
    Sebastian

    Warum groß an die Glocke hängen? Ist doch nun wirklich eine kleinkarierte Diskussion. Gerade auf Kuba gibt es doch Meinungs- und Pressefreiheit! Alle Menschenrechte werden dort eingehalten, es kann eigentlich überhaupt keine politischen Gefangenen geben, und selbst wenn, wer sich gegen den Sozialismus wendet muss halt damit rechnen und das auch gut so!