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Kommentar Frankreichs EntschuldigungEin später Anflug von Reue

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Präsident Hollande entschuldigt sich vorsichtig für ein 50 Jahre altes Verbrechen – und wird dafür angegriffen. Das nützt ihm am Ende.

F rançois Hollandes minimalistische „Anerkennung“ der algerischen Opfer eines von französischen Polizisten in Paris verübten Massakers am 17. Oktober 1961 kommt zu spät, um offene Wunden zu heilen. Sie kann allenfalls schmerzliche Erinnerungen lindern. Seine Sätze sind ungenügend, weil er es allen recht machen will und dabei weder den Opfern noch den Tätern ihre Rolle zuweist.

Dabei hat die mörderische Niederschlagung eines friedlichen Protests hunderter Algerier sehr wohl einen Namen und ein Gesicht: Maurice Papon, damals verantwortlicher Polizeipräfekt. Und es ist wohl kaum ein Zufall, dass er zuvor eine ebenfalls verheimlichte Karriere als Nazikollaborateur hatte.

Frankreich hat sich immer schwer getan mit der Aufarbeitung der finstersten Kapitel seiner Geschichte: der Kollaboration mit den Nazis bei der Verfolgung von Juden und Widerstandskämpfern oder auch der Unterdrückung in den Kolonien.

Bild: privat
Rudolf Balmer

ist Frankreich-Korrespondent der taz.

Dass aber ausgerechnet Mitglieder der rechten Opposition wie Expremierminister François Fillon den heutigen Präsidenten kritisieren, weil er in einem Anflug von Reue an einem Tabu rüttelt, ist deplatziert. In ihrem Bemühen, die verlorene Ehre eines Teils der Ordnungshüter von 1961 zu retten, verhöhnen sie nur die Opfer von damals und ihre heutigen Nachkommen.

Eines kann man dieser anachronistisch anmutenden Polemik aber zugute halten: Sie verleiht der Erklärung des Präsidenten genau jene nachhaltige historische Bedeutung, die seine zu vorsichtigen Formulierungen vermissen ließen. Hollande, der sich im Vorfeld eines Staatsbesuchs in Algerien als Anwalt einer neuen Normalität einschmeicheln möchte, kann sich bei Fillon und Co. bedanken.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

3 Kommentare

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  • J
    Jean

    Oh ja, werte/r S. Weinert!

    Ausgehend von der Annahme dass das Handeln eines Menschen gegenüber seinen Mitmenschen von dessen Menschenbild mit geprägt ist, gibt es durchaus Grund zu der Annahme dass ein Nazi in einer Situation anders handelt als ein Mitglied der Resistance. Ohne ein gänzlich anderes Menschenbild als das des Nationalsozialismus hätte die Resistance nie existiert, genauso wenig wie der Widerstand gegen die Franco-Faschisten in Spanien. Der spanische Bürgerkrieg hätte dann vermutlich gar nicht stattgefunden.

    Den Widerstand gegen die Besetzung Frankreichs durch die Nazis kann man nicht alleine auf französischen Nationalismus verkürzen, auch wenn dieser sicherlich mit eine Triebfeder war.

    Aber der entscheidende Moment für den Entschluss sich in Lebensgefahr zu begeben, indem man sich zum bewaffneten Widerstand entschloss, war - viel pragmatischer - die Unmöglichkeit in einem unmenschlichen System weiterhin unbeschadet als Mensch existieren zu können.

  • SW
    S. Weinert

    Was hat das Handeln Papons gegenüber den algerischen Demonstranten mit seiner Vergangenheit als Nazikollaborateur zu tun? Gibt es für Verwendung des N-Wortes bei der taz Extraprämie oder glaubt der Verfasser ernsthaft, dass ein ehemaliges Mitglied der Résistance in vergleichbarer Position anders gehandelt hätte?

  • KI
    Karl Ilnyzckyj

    Frankreich tut sich schwer mit der Aufarbeitung seiner Vergangenheit als Kolonialmacht.

    Vor einigen Jahren ist in Frankreich der Versuch gescheitert, den Kolonialismus als Verbrechen gegen die Menschheit zu verurteilen.

    Heute werden immer noch Kriegsverbrecher aus der Kolonialzeit verherrlich.

    Vor allem die UNP der Fremdenlegionäre tut sich hier stark hervor.

    Eine Aufarbeit dieser Geschichte wird auch durch die in den 60er Jahren erlassene Generalamnestie für Verbrechen während der Kolonialkriege erschwert.