Kommentar Fotokunst: Das Auge des Betrachters

Ein Foto der Künstlerin Nan Goldin ist beschlagnahmt worden, weil es zwei Kinder beim "Bauchtanz" zeigt. Doch: Die Schweinerei liegt allein im Auge des Betrachtends.

Der Anlass: Elton John hatte, mit anderen Mäzenen, 1999 Nan Goldins Bild "Klara and Edda belly dancing" gekauft. Nun wurde dieses Bild in England beschlagnahmt und der britische Popkünstler als Homosexueller in die quasi zwangsläufige Nähe von pädosexuellen Vorlieben gebracht. Diese Unterstellung ging, nachdem die polizeiliche Attacke wider die Kunst in England publik wurde, ins Leere: Elton John ist erstens mit einem Mann verheiratet sowie zweitens bekennend interessiert an Männern, nicht an Jungs, naheliegenderweise gar nicht an Mädchen.

Im Anschluss an diese Konfiskation aber wird, wie gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, debattiert: Dürfen Kinder überhaupt in dieser Weise fotografiert werden? Wird dieses Werk noch durch die Freiheit der Kunst gedeckt? Trifft nicht zu, dass der quasi unschuldig anmutende Schautanz der beiden Goldin-Objekte möglicherweise auch Freunde der Kunst zum Taxieren einlädt, vor allem jedoch klandestine Männer (und auch Frauen), die sich an solchen Lichtbildern, nun ja, aufgeilen?

Ja, die Furcht kann berechtigt sein. Aber befolgte man nun den Rat, auf die Produktion solcher Kunstwerke zu verzichten, weil die Kinder sich nicht aussuchen konnten, dass sie zur Kunst vermengt wurden (woher weiß man das überhaupt): Welcher Maßstab gälte denn fortan? Wo hören Korrektheit wie Rücksichtnahme auf - und wo begänne wieder die Freiheit der Kunst? Ein bodenloses Unterfangen. In Bälde wären es denn Religionswächter, die in Darstellungen eines Frauenknies Stimulantien zur Vergewaltigung von Frauen erkennen? Oder solche Feministinnen, die in jedem Porno nur männliche Macht erkennen und weibliche Unterwerfung?

Kunst muss alles dürfen, ihre Freiheit ist prinzipiell unendlich. Ihr an die Wäsche zu wollen, würde nur neue Prüderie begünstigen. Die Attacke wider die Goldin-Fotografie tut so, als wäre nun irgendetwas gegen Pädosexualität gewonnen.

Wahr ist vor allem: Die Schweinerei liegt stets nur im Auge des und der Betrachtenden.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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