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Kommentar FinanzkriseDas Schock-Prinzip

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die Finanzkrise dürfte nicht etwa zur Folge haben, dass unser Wirtschaftssystem sozialer wird. Am Ende bekommen die Herrschenden mehr Macht und Geld.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Inlandsredakteurin der taz.

Es ist nicht einfach, den Wirren der Finanzkrise zu folgen. Erst werden von der Politik 500 Milliarden Euro für Bürgschaften und Beteiligungen durchgewunken, mit 20 Milliarden Kosten für den Steuerzahler kalkuliert der Finanzminister schon jetzt. Dann fordern Wirtschaftsvertreter ein Konjunkturprogramm und damit noch höhere Staatsverschuldung. Thomas Straubhaar, Direktor des HWWI-Instituts, schlägt vor, jedem Bürger 200 Euro an Staatsgeld zu schenken, damit das Einzelhandelsgeschäft anspringt. Sind wir im Irrenhaus? Nein. Aber wir stehen unter Schock. Und der dürfte nicht etwa zur Folge haben, dass unser Wirtschaftssystem sozialer wird. Stattdessen könnte es andersherum kommen.

Als "Schock-Strategie" bezeichnete die Globalisierungskritikerin Naomi Klein den von ihr beobachteten Vorgang, dass im Kapitalismus Katastrophen wie Kriege und Naturereignisse gern dazu genutzt werden, demokratische Strukturen auszuhebeln. Am Ende bekommen die Herrschenden nicht weniger, sondern mehr Macht und Geld. Diese Gefahr besteht jetzt auch in der Finanzkrise. Schließlich wurde die Milliardenbürgschaft im Instantverfahren beschlossen. Wo findet eigentlich die Debatte darüber statt, wer genau am Ende die fälligen Kosten für die Bürgschaften und Kredite trägt? Bei einer höheren Staatsverschuldung zahlen das die Jüngeren oder künftigen Sozialleistungsempfänger. Denn Politiker haben nicht gesagt, dass sie Firmen mehr belasten, die Erbschaftsteuer überdenken, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag nicht senken wollen.

Die Finanzkrise saugt zudem mediale Energie: Wer interessiert sich derzeit für die Kostenverlagerungen im Gesundheitssystem? Diese Verteilungsdebatten erscheinen als mickrig angesichts der ach so großen Finanzkrise. Genau das aber ist das Prinzip des Katastrophenkapitalismus. Wie aus den Banken zu hören ist, spekulieren betuchtere Anleger jetzt mit fallenden DAX-Werten. Und Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan fürchtet, die reichen Staaten könnten angesichts der Krise ihre Zusagen zur Hungerbekämpfung brechen. Vermutlich wird es am Ende also nicht mehr, sondern weniger Gerechtigkeit geben.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

2 Kommentare

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  • WW
    Wolfgang Winkler

    Nach einigen Kommentaren in der taz, dass jetzt nichts in der Wirtschafts- und Finanzkrise so sein könnte wie vorher, ist dieser Komemntar ein vorsichtiger Lichtblick.

    Warum sollte das Geld, dass heute ausgegeben wird, automatisch dafür sorgen, dass morgen eine sinnvolle Regulierung stattfindet?

     

    Auch wird alles Geld, dass jetzt verpulvert wird, später wieder fehlen für Bildungs- und Sozialpolitik, für künftige Generationen. Es ist eine gigantische Umverteilung zu (derzeit) Reichen und Mächtigen. Und: wozu wird das Geld ausgegeben? Die Wachstumsprognosen, die herausgeben werden, scheinen von den gigantischen Summen weitgehend unbeeinflusst. Natürlich wird die Realwirtschaft von der Finanzindustrie beeinflusst, aber offensichtlich nur am Rande. Wir hatten schon viele Rezessionen, ohne dass eine solche Panik ausgebrochen ist. Klar werden Kredite benötigen, aber wenn die Finanzindustrie in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich stärker gewachsen ist als die Realwirtschaft, kann das nicht dauerhaften sein. Man kann die gleiche Firma oder das gleiche Projekt nicht 20x mit Gewinn verkaufen; es sei denn der Staat fördert die Verkäufe. Da diese Blase geplatzt ist, ist es ganz normal, dass Banken pleite gehen und Leute arbeitslos werden. Gleichzeitig haben wir Fachkräftmangel. Das eingesetze Geld wirkt genauso wie all die Subventionen für Steinkohle und Landwirtschaft der Vergangenheit; überkommene Strukturen werden erhalten, der Fokus auf Neues wird verhindert und das Geld fehlt an anderer Stelle. Schon wird der Ruf nach einer Pause im Klimaschutz lauter.

    Ebenso stand der Bauboom in den USA, UK und einigen anderen Ländern und dem darauf beruhendem schuldenfinanzierten Konsum auf tönerden Füßen. Soll dieser Boom mit zusätzlichem Staatsgeld verlängert werden? Es wäre nur noch der Vorschlag fällig, dass die Staaten alle Aktien aufkaufen, wenn deren Kurse fallen...

    Nochwas; auch ohne juristische Fachkenntnisse halte ich es für unmöglich, die vertraglich vertraglich gesicherten Gehälter und Abfindungen zu begrenzen. Jede solche Klausel in einer staatlichen Bürgschaft kann juristisch beerdigt werden.

     

    Derzeit ist so deutlich wie lange nicht mehr, dass Eliten in Wirtschaft und Politik und die Journalisten, die immer so gerne dazu gehören wollen, einen Diskurs führen, bei dem alle nur nachplappern ohne wirklich zu denken.

     

    Wolfgang Winkler

  • JR
    jens ruderisch

    guten morgen.

    das es im kapitalismus immer weniger gerechtigkeit gibt ist ja klar, sagt ja auch schon der name und wonach er ausgerichtet ist = kapital-is-mus(s)und leider nicht die gerechtigkeit:-(

    oder wie unser guter alter john maynard keynes (1883 - 1946) zu sagen pflegte: "der kapitalismus basiert auf der merkwürdigen überzeugung, das widerwärtige menschen aus widerwärtigen motiven irgendwie für das allgemeine wohl sorgen werden." auszug aus der -allgemeine theorie der beschäftigung, des zinses und des geldes-

    mfg jens