Kommentar Festung Europa: Menschenrechte oder Leichensäcke
Europas Politiker unterstützen afrikanische Flüchtlingslager, versuchen, auch das letzte Schlupfloch in die EU zu stopfen. Was hinter den Toren Europas passiert, interessiert sie nicht.
Europas Grenzen sind eindeutig: Sie liegen vor den Küsten Italiens, Spaniens, Maltas, Griechenlands. Von einem auf den anderen Meereskilometer sind die oft beschworenen Werte und Errungenschaften der abendländischen Zivilisation dort so viel wert wie ein Schluck Wasser. Salzwasser, um genau zu sein. Flüchtlingsschutz bedeutet in Europa heute nicht mehr Schutz von Flüchtlingen, sondern Schutz vor Flüchtlingen.
Geht man davon aus, dass nur jede dritte Leiche gefunden und registriert wird, sind allein im Umkreis der Meerenge von Gibraltar in den letzten 15 Jahren 13.000 bis 15.000 Flüchtlinge gestorben. Die Meerenge ist damit das größte Massengrab Europas geworden. Weil die Kontrollen in der Meerenge immer schärfer werden, weichen die Boote aus auf Routen, die noch gefährlicher sind, vor allem wenn sie westlich auf den offenen Atlantik führen.
Mit immer mehr Soldaten, immer modernerer Technik und noch mehr Geld fängt die EU die Flüchtlinge schon auf dem afrikanischen Festland oder spätestens auf dem Mittelmeer ab. Die Diktaturen Nordafrikas werden für ihre Kooperation reich entlohnt. Nicht nur erhalten sie Wirtschaftshilfe und politische Unterstützung. Europa sorgt inzwischen auch für die Lager, in die die Flüchtlinge gepfercht werden: Dort herrschen Bedingungen, die für Lager in einer Diktatur eben charakteristisch sind. Menschenrechtsgruppen berichten von Misshandlungen, Vergewaltigungen, Hunger. Am schlimmsten ist es in den libyschen Lagern.
Europa schickt Matratzen für diese Lager, Wolldecken, Nachtsichtgeräte, Unterwasserkameras und Busse für den Abtransport. Sogar 1.000 Leichensäcke für die Flüchtlinge erhielt die libysche Regierung aus Italien. Europas Politiker interessiert nur, wie sie die letzten Mäuselöcher in den Toren Europas schließen können. Was hinter den Toren geschieht, interessiert sie nicht.
Interessiert es uns? Die Regierung, die die Metapher vom vollen Boot statt auf die eigene Wohlstandsgesellschaft auf die heillos überladenen Flüchtlingsschiffe im Mittelmeer bezöge - sie wäre rasch abgewählt.
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