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Kommentar FarcTerror als Ausrede

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Die Farc als Terroristen einzustufen, mit denen man nicht verhandeln kann, ist leicht. Konflikte löst man anders.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat Position bezogen: Die kolumbianischen Guerillaorganisationen Farc und ELN seien "richtige Armeen" und hätten ein politisches Projekt. Deshalb sollten alle Länder Lateinamerikas und Europas sowohl die "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (Farc) als auch das kleinere "Nationale Befreiungsarmee" (ELN) von der Liste der Terrorgruppen streichen.

Richtige Armeen sind Farc und ELN mit Sicherheit: Die Farc sollen 15.000 und die ELN 4.500 Kämpfende unter Waffen haben. Seit über 40 Jahren ist es Kolumbiens Streitkräften nicht gelungen, die Rebellen militärisch in die Knie zu zwingen - trotz der enormen jahrzehntelangen finanziellen und militärischen Unterstützung durch die USA.

Aber anders als die mittelamerikanischen Guerillas der 70er- und 80er-Jahre führt die Farc keinen Volksaufstand gegen einen grausamen Diktator und dessen kapitalistische Ausbeutungsökonomie. Sie finanziert sich durch Entführungen und Drogen und geht in der Wahl der Mittel weit über das hinaus, was ein politisches Anliegen gerade noch rechtfertigen könnte. Die vergangenen Tage sind typisch. Kaum kommen zwei Geiseln frei, da entführt die Farc auch schon sechs neue.

Ein politisches Projekt ist bei der Farc, dem einstigen militärischen Flügel der kommunistischen Partei Kolumbiens, die sich bis heute als marxistisch-leninistisch bezeichnet, nicht mehr zu erkennen. Insofern fällt es leicht, die Farc als Terroristen einzustufen, mit denen ohnehin nicht zu verhandeln sei. Doch wer so argumentiert, akzeptiert die aktuelle Gewalttätigkeit als Status quo. Das ist inakzeptabel.

Solange die Farc auf den Listen der Terrororganisationen steht und niemand mit ihr spricht, wird das Wechselspiel aus Geiselnahme, Freilassung und neuer Gewalt weitergehen. Verhandlungen allein sind zwar keine hinreichende, aber doch eine notwendige Bedingung für den Frieden in Kolumbien. Die Terroristen-Definition stattdessen enthebt die Farc der Aufgabe, sich überhaupt eine politisch verhandelbare Position zuzulegen. Konflikte lösen geht anders.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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1 Kommentar

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  • KL
    Karl-Hermann Leukert

    Verhandlungen werten die FARC nur auf. Es handelt sich hierbei um eine kriminelle Organisation, der nur mit den Mitteln des Rechtsstaats respektive polizeilicher und militärischer Verfolgung begegnet werden kann.