Kommentar Fall Menger-Hamilton: Willkür bei der Einbürgerung
Der Fall Menger-Hamilton zeigt die vollständige Willkür, wie in den verschiedenen Bundesländern die Verfassungsmäßigkeit der Partei Die Linke beurteilt wird.
M an glaubt, eine grob übertreibende Satire auf ein Fossil des Kalten Krieges vor sich zu haben. Aber der Bescheid, mit dem von der Behörde "Öffentliche Sicherheit Hannover" der Einbürgerungsantrag von Jannine Menger-Hamilton abgelehnt wurde, ist bitterernste Realität. Die Ablehnung gründet sich einzig und allein auf die Mitgliedschaft der Antragstellerin bei der Partei Die Linke.
Nach Meinung der Einbürgerungsbehörde ist die "programmatisch-ideologische Ausrichtung" der Linken unvereinbar mit der Werteordnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Dies zeige sich insbesondere daran, dass im Rahmen einer erstrebten "Wirtschaftsdemokratie" ganze Wirtschaftsbereiche "entprivatisiert" würden, mit dem Ziel einer Überwindung des Kapitalismus.
Solche Ideen hält die Behörde für "extremistisch", was freilich kein Rechtsbegriff ist, sondern ein ins Belieben gestellte politische Charakterisierung. Doch daraus leitet sie ab, warum der Einbürgerungsantrag abzulehnen sei, ohne einen "tatsächlichen Anhaltspunkt" für eine angeblich verfassungsfeindliche Gesinnung der Bewerberin zu nennen.
Wie kommt es, dass eine Behörde dermaßen ungeniert mit dem Grundgesetz Schindluder treibt und eine offensichtlich legale Zielsetzung einer Partei, die Errichtung einer Gemeinwirtschaft im Rahmen der parlamentarischen Demokratie, als verfassungsfeindlich diffamiert? Das hängt mit der Erfordernis der Regelanfrage zusammen, die bei Einbürgerungsverfahren beim Verfassungsschutz eingeholt werden muss.
Schon diese Regelanfrage selbst ist unter demokratischen Gesichtspunkten abzulehnen, stellt sie doch einbürgerungswillige AusländerInnen unter Pauschalverdacht, kehrt die Unschuldsvermutung um und basiert auf dem ungehemmten Datenfluss zwischen dem Geheimdienst und der entscheidenden Staatsbehörde. Ergebnis: Der Stuss, den der niedersächsische Verfassungsschutz zusammengeschrieben hat, findet sich getreulich in dem Ablehnungsbescheid wieder.
Der Fall Menger-Hamilton zeigt die vollständige Willkür, wie in den verschiedenen Bundesländern die Verfassungsmäßigkeit der Partei Die Linke beurteilt wird. Mal geachtete Regierungspartei, mal partiell, mal in toto Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Wie wärs, wenn statt Ressentiments die Fakten respektiert würden?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP