piwik no script img

Kommentar FDPDialektik des Klientelismus

Kommentar von Ralph Bollmann

Sollte die FDP tatsächlich geplant haben, dem Klientelismus zu frönen und mit einem neoliberalen Besen durch den deutschen Sozialstaat zu kehren, so hätte sie es völlig falsch angestellt.

V ersetzen wir uns kurz in die Psyche eines sehr überzeugten FDP-Wählers. Vielleicht hätten wir gedacht, mit einem Fachminister der Partei werde es der Gesundheitsbranche bald sehr, sehr gut gehen. Womöglich hätten wir auch geglaubt, dem anstrengungslosen Wohlstand von Hartz-IV-Empfängern werde nun endlich ein Ende bereitet, durch eine drastische Kürzung der Regelsätze etwa oder durch einen Zwangseinsatz beim Schneeschippen.

In beiden Fällen wären wir jetzt ziemlich enttäuscht. Es ist zwar noch nicht ausgemacht, ob der Gesundheitsminister die deutschen Arzneimittelpreise tatsächlich so weit herunterholen kann, wie es eigentlich nötig wäre. Und es ist keineswegs so, dass die FDP mit ihrem Hartz-IV-Papier schon den Königsweg entdeckt hätte. Aber in beiden Fällen ist die Partei erkennbar bemüht, auf den Boden seriöser Sachpolitik zurückzufinden.

Sollte die FDP tatsächlich geplant haben, hemmungslos dem Klientelismus zu frönen und mit einem eisernen neoliberalen Besen durch den deutschen Sozialstaat zu kehren, so hätte sie es jedenfalls völlig falsch angestellt. Nach Hotel- und Dekadenzdebatte steht sie unter verschärfter Beobachtung. Die Diskussion um Günstlingswirtschaft auf Westerwelles Auslandsreisen schränkt ihre Möglichkeiten weiter ein, eindimensional für Wirtschaftsinteressen zu streiten.

Bild: taz

Ralph Bollmann ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Ganz allmählich scheint der Wirtschaft zu dämmern, dass es ihr niemals mehr so gut gehen wird wie unter Gerhard Schröder. Der SPD-Kanzler stand nach seinem Amtsantritt 1998 unter Zugzwang, Wirtschaftskompetenz zu beweisen - und handelte entsprechend. Die FDP wird, wenn sie klug ist, jetzt ihre Sozialkompetenz unter Beweis stellen müssen. Das ist die Dialektik des Klientelismus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!