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Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die FDP ist immer noch eine Partei in Regierungsverantwortung. Gut möglich, dass sich gerade jetzt Lobbyisten und Steuersenker aufschwingen, den Laden zu übernehmen.

A m Ende dieses Jahres muss die FDP einsehen: Sie kriegt es nicht gebacken - weder machtpolitisch noch parteiintern. Selten sah man die Partei in einem derart desolaten Zustand wie dieser Tage.

Nicht nur dass die Liberalen binnen 27 Monaten in den Umfragen von 14,6 auf kaum noch messbare 3 Prozent gerutscht sind. Und nicht nur dass Parteichef Philipp Rösler knapp vor dem Ende des Mitgliederentscheids zum Eurorettungsschirm ESM die Parteibasis denkbar ungeschickt düpiert hat. Nein, jetzt geht auch noch Generalsekretär Christian Lindner von Bord.

Zurück bleibt der Vorsitzende Rösler. Sieben Monate lang hat er versucht, innerhalb Partei und Koalition eine gute Figur zu machen. Sein junger Generalsekretär war ihm in dieser Zeit treu ergeben. Es waren sieben Monate, in denen die Eurokrise einen stringenten FDP-Wirtschaftsminister und Vizekanzler erfordert hätte.

Bild: Thomas Winkler
ANJA MAIER

ist Korrespondentin im Parlamentsbüro der taz.

Aber der war als Parteivorsitzender zumeist damit befasst, selbstgewisse Alt- und eitle Jungmitglieder in Schach zu halten. Nun, wo Lindner hingeworfen hat, verengt sich das Personaltableau auf die liberalkonservative Garde. Sein Nachfolger wird Patrick Döring werden. Dem Fraktionsvize aus Röslers Landesverband Niedersachsen wird eine politische Nähe zu Rainer Brüderle nachgesagt.

Wenn nach mehr als zwei Jahren in Regierungsverantwortung die FDP-Führung wieder in die Hände der gerade erst beiseitegefegten Altvordern fällt, dann könnte Kanzlerin Angela Merkel doch noch einen straff gelenkten Koalitionspartner an die Seite bekommen, mit dem sie die zweite Hälfte dieser Legislatur überbrücken kann. Aber die Tage von Philipp Rösler als Parteivorsitzendem dürften in diesem Fall gezählt sein.

Man weiß nicht recht, ob man sich das wünschen soll. Bei den Wählerinnen und Wählern sind die Liberalen mittlerweile zur Lachnummer geschrumpft. Innen- und außenpolitisch aber sind sie in der Position, die Geschicke dieses Landes in bewegten Zeiten zu lenken.

Die FDP ist immer noch eine Partei in Regierungsverantwortung. Gut möglich, dass sich gerade jetzt jene aufschwingen, die den von Rösler und Lindner propagierten "mitfühlenden Liberalismus" verabscheuen: die Lobbyisten und Steuersenker.

Am rechten Rand warten Leute wie Hans-Olaf Henkel darauf, den Laden zu übernehmen - und den europäischen Rechtsliberalismus wählbar zu machen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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11 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Es reicht eben nicht aus, seiner Klientel Wahlgeschenke zu machen, um anschließend als Abbitte,mit Steuergeschenken die fehlenden Prozente zu holen.Die Steuergeschenke, die eigentlich gar keine sind,schaden nur den sozial Schwachen, weil die Kommunen bei denen, sie sich am wenigstens wehren können zuschlagen. Die FDP- Politik ist eine absurde Politik,ohne Verstand und nur zum eigenen Wohle. Wir haben bereits 4-Markt-Liberale Parteien-, was will man da überhaupt noch mit der FDP ?

  • A
    andreas

    @Anja Maier

    "Lobbyisten und Steuersenker".

     

    Das ich nicht lache. Wer hat nochmal während seiner Regierungszeit den Spitzensteuerstaz gesenkt ? Na ...?

    Genau es waren Rot/Grün !!!

     

    Ob ein Lobbyist(auch "Öko" will möglichst viel Geld verdienen) nun den Grünen absurd hohe steuerliche Entlastung für Solaranlagen einredet oder der Apothekerverband mit der FDP kuschelt.Völlig egal. Jede Partei, wirklich jede hat ihre Lobbyisten.

    Das macht die FDP nicht besser, aber so zu tun als wenn das spezifisch FDP wäre ist schon lächerlich.

    Das schlimme bei links Grün ist allerdings, daß hier die Meinung vertreten wird es gäbe auch gute Lobbyisten, wenn es die RICHTIGEN sind. Und wenn es die allzeit beliebte Moralkeule ist um irgendwie Geld locker zu machen...

     

    P.S. In Berlin geht grad eines dieser künstlich am Leben erhaltenen Solar-Firmen pleite.

  • M
    Mario

    Vielleicht muss ein Olaf Henkel gar nicht seinen Rechtsliberalismus durchsetzen, das Programm von Merkel und Sarkozy für den EURO gleicht fast einer Auflösung der momentanen EU und der Bildung einer Gruppe von guten, weilche reichen, und schlechten, weil armen, verschuldeten Staaten. Als Reaktion darauf gibt's ein handfestes Verarmungsprogramm, das vemutlich keine Wirksamkeit in positvier Hinsicht entfalten kann.

     

    Dieser Horror müsste fast nach Gusto der FDP-Spitze sein, tatsächlich erscheinen weitere Steuergeschenke und weiter Promo-Aktionen für die Wirtschaft aber immer unwahrscheinlicher und damit bewegt sich der Personal-Zirkus der Liberalen, denn die Partei hat kein realistischen Konzeptionen für diese Gesellschaft und agiert chaotisch und falsch in der Politik.

     

    Das ist eigentlich auch nichts Neues, aber für die FDP mit ihrem Tunnelblick ist es eben die Neuigkeit. Und dann erzeugen solche realitätsfernen Parteien auch Schaumschläger aller Art. Mag sein, dass Brüderle mit seiner Regierungserfahrung hier etwas mehr zu bieten hat, aber die unsinnigen Grundüberzeugungen der Partei hat er noch mehr intus als andere.

     

    Ich kann mir vorstellen, dass die CDU die FDP irgendann durch die SPD und wenn nur für zwei Jahre ersetzt, um die EURo-Krise durch eine Sondersteuer und Entschuldung zu überstehen. Momentan glaubt Angela Merkel nämlich auch die eigenen Märchen und sieht sich als eine Art Führungsfigur per Zwang der EU. Man muss nichts besonders gebildet sein, um zu ahnen, dass viele EU-Staaten sich solche Diktate nicht gefallen lassen werden und ganz besonders kein deutsches (französisches) Diktat hinnehmen werden. Und dann korrigiert vieleicht Merkel ihre Politik und das bedeutet dann das Ende für die FDP, denn selbst die CDU kann sich diese Partei eigentlich nicht mehr leisten.

  • F
    Falmine

    Wenn es überhaupt noch einen Grund gibt, auf das Überleben der FDP zu hoffen, dann der, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch möglichst lange und entschlossen den zivilgesellschaftlichen Unverschämtheiten der Innenminister widerstehen möge.

  • RD
    Richard Detzer

    Nach der ersten, der zweiten, dritten und vierten ist das jetzt die fünfte desolate Partei. Da können wir bald auf schöne Neuigkeiten hoffen.

  • D
    Dennis

    In der FDP sind die Lobbyisten auf dem Vormarsch? Diese "Partei" ist ein einziger Zusammenschluss von Lobbyisten, mir ist völlig schleierhaft, wo der Unterschied zwischen der von Rösler, Brüderle, Bahr oder Lindner vertretene "Politik" sein soll.

    Dass die FDP sich von 14,... Prozenten auf unter 3 gemausert hat ist doch eine logische Konsequenz: diese 11% der Wählerstimmen kamen doch komplett von ehemaligen und nun zurückgeruderten CDU-Anhängern, die geil auf Marktliberalismus sind.

    Früher nahm die FDP Altnazis auf, heute ist sie ein Sammelbecken für Karrieristen, man könnte auch Wirtschafts/Sozial-Darwinisten sagen!

    Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Problem der Demokratie in Deutschland, mit Namen FDP, ein für alle mal erledigt hat.

  • A
    Arnoldo

    Ich kann mich nicht erinnern das die fdp Lobbyarbeit für Gummibärchen gemacht hat.Ist das Wirkungsgebiet doch bei Waffen,Glücksspielen,Hotels,Immobilien,Banken, Finanzen,und der Pharmaindustrie zu finden.Wenn die fdp

    endlich zur Vergangenheit wird,so wird die Lobby anderswo mit offenen Armen empfangen werden.

  • S
    Scharlie

    Avanti diletanti FDPchen

  • HM
    Herr Möller

    .... Alles hat irgendwann ein ENDE !!! Die - einstmals begründete FDP- hat... m.E. im prozess der Entwicklung der politischen Dialektik ihren politischen Sinn verloren ! Seit Genscher geht es abwärts...

  • P
    Piefke

    Gott bewahre, bloß keine Steuersenker. Es weiß doch jeder dass Steuern nur steigen und niemals sinken dürfen. Alles andere wäre asozial.

  • J
    Jennifer

    Nun, dass die Lobbyisten ihre Chance wittern und zu nutzen versuchen, kann man ihnen ja noch nicht mal vorwerfen.

    Die Frage ist, ob die Wähler daraus die logische Konsequenz ziehn und die FDP erst recht nicht mehr wählen.

    Wenn es ihnen gelingen sollte, den Laden "wählbar" zu machen, dann ja nur deswegen, weil Horden von volljähren Wahlberechtigten (ja, der Tautologismus ist mir bewusst) bereit sind, "darauf reinzufallen"; weil sie es megageil finden "darauf reinzufallen".

     

    Wahlergebnisse sind nun mal immer nur die Schuld der Wähler.

    Diese Erkenntis passt nicht in das allgemeine "Die bösen sind immer nur die Politiker, wahrscheinlich auch die Lobbyisten, auf jeden Fall aber immer die anderen"-Gejaule und Gejaller.

    Da beißt aber trotzdem keine Maus einen Faden ab.

     

    Die Wähler ganz alleine sind an Schwarz-Gelb schuld sonst niemand.

    Und sollte Schwarz-Gelb seinen Wahlerfolg wiederholen können, wärs eben wieder so.

    Danach beschweren sich dann wahrscheinlich wieder alle wie undemokratisch die Atompolitik der demokratisch gewählten Regierung ist.

    Und wie groß der Einfluss der Lobbyisten. Man selbst kann da natürlich nichts dafür.