Kommentar FDP: Den Liberalen gehen die Freunde aus
Seit die Bundes-FDP im September 2009 mit der Union koaliert, befindet sie sich im Siechtum. Da ist der Crash an der Saar nur eine logische Fortsetzung des Niedergangs.
E s ist ein Menetekel. Mitten in der Rede des FDP-Bundesvorsitzenden Philipp Rösler zerbricht im Saarland die Jamaica-Koalition. Während Rösler gerade in Stuttgart versucht, seinen Parteifreunden so etwas wie neues Selbstbewusstsein einzuhauchen, erklärt CDU-Ministerpräsidentin Annegret Karmp-Karrenbauer in Saarbrücken, mit dieser FDP weder weiterregieren zu können noch zu wollen.
Deren seit Monaten anhaltenden Zerwürfnisse seien "nicht länger mit der Verantwortung für die Zukunftssicherung des Landes vereinbar".
Mag sein, dass die Liberalen im Saarland eine "provinzielle Besonderheit" darstellen, wie das der hessische Landeschef Jörg-Uwe Hahn formuliert. Mag sein, dass der Wechsel eines FDP-Fraktionschefs zur CDU mitten in der Legislatur ein ungewöhnlicher Fall von Illoyalität oder Verzweiflung ist. Aber so billig, wie Fraktionschef Rainer Brüderle die Sache darstellt, ist es nun auch wieder nicht. Der hatte nach Bekanntwerden des Saar-Crashs gesagt, mit Jamaica sei "ein interessantes Experiment nicht für vier Jahre voll gelungen".
ist parlamentarische Korrespondentin der taz und berichtet vom Dreikönigstreffen der FDP.
Interessantes Experiment? Die FDP hat keine Zeit mehr für Spielchen. Sie muss zusehen, das bisschen politischen Gestaltungsraum zu sichern, über den sie gerade noch verfügt - und sei es im kleinen Saarland.
Seit die Bundes-FDP im September 2009 mit der Union eine Koalition eingegangen ist, befindet sie sich im Siechtum. Egal ob Energiewende, Hartz IV oder Mindestlohn - von Konsens keine Spur. Ihre schwerste Prüfung erlebte die Koalition in den zurückliegenden Monaten, als es um die Euro-Schuldenkrise ging.
In einem nervenzerfetzenden innerparteilichen Machtkampf führten die FDP-Mitglieder einen Glaubenskrieg um den Rettungsschirm ESM. Während dessen machte die Kanzlerin unbeirrt weiter Politik. Die europäische Währungskrise war wirklich zu ernst, um auf die Selbstbesinnung einer mittlerweile Zwei-Prozent-Partei warten zu können.
In den zurückliegenden Tagen hieß es, der angeschlagene Philipp Rösler könne sich nur halten, wenn die FDP bei der Schleswig-Holstein-Wahl im Mai wieder in den Landtag einzieht. Da hatte keiner die Saarländer auf dem Schirm, die nun Röslers Machtlosigkeit in der eigenen Partei schlaglichtartig erhellen. In Saarbrücken hat die CDU-Vorsitzende der SPD Koalitionsgespräche angeboten. In Berlin könnte die CDU-Chefin auch bald zum Telefon greifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern