Kommentar FDP: Brüderles wirre Logik
Rainer Brüderle nährt den Verdacht, dass sich die FDP als Lobbyorganisation der Finanzdienstleister versteht.
M it allen Mitteln stemmt sich die FDP-Spitze im Moment gegen eine Finanztransaktionssteuer. Die Bürger hätten die Kosten für eine solche Abgabe zu tragen, warnt jetzt Fraktionschef Rainer Brüderle. Brüderle, das muss man dazu sagen, gilt in der Koalition seit einiger Zeit wieder als strategisch versierter Vollprofi, weil er weniger Unsinn verzapft als der Rest der FDP-Führung. Wenn man versucht, seine Argumentation nachzuvollziehen, fragt man sich allerdings, warum das so ist.
Denn Brüderles Logik ist gleich in mehrfacher Hinsicht naiv. Natürlich wird es so sein, dass auch Aktienbesitzer die Abgabe zahlen müssen. Das ist gewollt und bei anderen Steuerarten, etwa der Mehrwertsteuer, nicht anders. Aber auch FDP-Wähler sind klug genug, zu wissen, dass die Steuer sie kaum betrifft. Selbst wer ein üppiges Aktiendepot besitzt, schichtet es nicht ständig um. Die Steuer wird aber nur bei Bewegungen fällig. Außerdem geht es – bei einem Steuersatz von 0,1 Prozent – um minimale Summen. Die Verwaltungsgebühren, die Banken für Fonds berechnen, liegen im Vergleich horrend hoch.
Brüderle verkauft seine Wähler für dumm, wenn er sich als Schutzherr der Kleinaktionäre aufspielt. Er nährt den Verdacht, dass sich die FDP als Lobbyorganisation der Finanzdienstleister versteht. Nur die haben ein Interesse an einer Verhinderung, weil die Steuer Hochfrequenzhandel unattraktiver macht. Auch taktisch ist die Blockade irrational. Brüderle und FDP-Chef Rösler ziehen in einen Krieg, den sie nur verlieren können. Wenn fast alle EU-Staaten und die Union die Steuer wollen, wird eine 2-Prozent-Partei sie nicht verhindern. Brüderle und Rösler tun also vor allem eines:
leitet das Parlamentsbüro der taz.
Sie bereiten die nächste Niederlage vor, für die FDP und für sich selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“