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Kommentar FDP-RentenvorschlagTrickserei mit dem Ruhestand

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die FDP betreibt Symbolpolitik. Sie will verschleiern, dass den vorzeitigen Ruheständlern weitere Kürzungen drohen. Und verkauft es als Möglichkeit des Zuverdienstes. Das ist frech.

D iese Genialität hätte man der FDP gar nicht zugetraut: Pünktlich zu den Wahlen in Hamburg und in Baden-Württemberg rückt sie mit einem Plan heraus, der so richtig sozial anmutet. Plötzlich scheint sich die Partei der selbst ernannten "Leistungsträger" um die sprichwörtlichen "kleinen Leute" zu kümmern.

Die Idee: Rentner unter 65 Jahren sollen künftig so viel hinzuverdienen dürfen, bis sie ihr letztes Bruttogehalt erreicht haben. Bisher sind Nebenjobs mit maximal 400 Euro erlaubt.

Damit die Botschaft beim umworbenen Prekariat auch ankommt, wurde sie von den Liberalen in der Bild lanciert und dort außerdem mit einer eingängigen Beispielsrechnung garniert. Man stelle sich also eine Verkäuferin vor. Bei einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.200 Euro hat sie jetzt nur noch eine Rente von 730 Euro. Sollte sich die FDP durchsetzen, kann sie künftig 1.470 Euro hinzuverdienen. Wenn das nicht ein Geschenk ist!

taz

ULRIKE HERRMANN ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Trotzdem bleibt ein Paradox: Zu vermuten ist ja, dass die Verkäuferin im Ruhestand wieder im Laden stehen würde, um ihre Rente aufzubessern. Aber warum ist sie dann im Ruhestand? Es ist doch Unfug, als Verkäuferin in Rente zu gehen, um hinterher weiter als Verkäuferin zu arbeiten.

Zur Erinnerung: Der FDP-Vorschlag zielt auf Ruheständler unter 65 Jahren. Es sind also Menschen, die den Arbeitsmarkt vorzeitig verlassen haben - weil sie gesundheitlich eingeschränkt sind oder keine Stelle fanden. In beiden Fällen ist es unwahrscheinlich, dass sie ihre Rente durch Zusatzverdienste aufbessern können.

Die FDP betreibt Symbolpolitik. Sie will verschleiern, dass den vorzeitigen Ruheständlern weitere Kürzungen drohen. Dafür sorgt die Rente mit 67, die jeden bestraft, der vorher schlappmacht. Aber genial frech ist es schon, dieses Sparprogramm zur Möglichkeit eines Zuverdienstes umzudeuten.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

15 Kommentare

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  • H
    Hasso

    So wenig ich von der FDP halte, würde mir die von ihr vorgeschlagene Regelung doch sehr hilfreich sein.

    Ich könnte im nächsten Jahr vorzeitig in Rente gehen. Derzeit verdiene ich als Angestellter in Teilzeit ca. 1.050 Euro brutto und als Selbständiger ca 1.500. Als gesetzliche Rente würde ich incl. Betriebsrente ungefähr das gleiche bekommen wie bei meinem Angestelltenjob. Wenn ich nur 400 Euro zuverdienen dürfte, würde das nicht reichen. Wenn ich aber in Höhe des letzten Bruttoverdienstes (welcher da zu Grunde gelegt wird, wird aus dem FDP-Plan nicht ganz klar - aber ich gehe mal davon aus, es sind die 1.050 aus dem Angestelltenjob) dann würde ich das sofort machen und müsste dann 20 Stunden weniger die Woche arbeiten - für fast das gleiche Geld. Dass meine Rente dann dauerhaft um ca. 8% gekürzt würde, könnte ich verschmerzen.

  • W
    Waage

    @Fast - Rentner

     

    Ihre in sich stimmige und schön ausformulierte Argumentation ist zu stark auf die Demografie fokussiert.

    Sie dürfen nicht vergessen, dass die Produktivität je Arbeitnehmer heute höher ist als vor 10 Jahren und vor zehn Jahren wesentlich höher war als z.B. zu Adenauerzeiten usw.

     

    Klar wären mehr Kinder schön, aber wären sie allein noch keine Garantie für eine sichere Rente. (vgl. die Probleme in vielen "Entwicklungsländern" mit teilweise sehr hohen Geburtenraten. Oder die Rentenhöhe im Deutschen Reich zur Jahrhundertwende als die Familien oft noch 10 Kinder hatten)

     

    In einem hoch entwickelten Industrieland funktioniert das Umlagesystem auch mit einer umgekehrten Alterspyramide aufgrund immer stärker steigender Produktivität. Voraussetzung ist, dass alle Einkommen in die gesetzliche Rente mit einbezogen werden.

     

    Was anderes behauptet nur die private Versicherungsindustrie.

  • F
    FAXENDICKE

    Unbedingt lesen und möglichst verstehen.

     

    http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/einer-schuftet-im-augiasstall/

     

    Die FDP verschweigt das z.B. ein 100% EM-Rentner keine drei Stunden täglich arbeiten darf, sonst ist die Rente weg. Da ist es bei mittlerweile normalen Dumpinglöhnen schon unmöglich auf 400 Teuro im Monat zu kommen!

     

    Bürgerversicherung jetzt!

  • H
    H.C.B.

    Die Wahlen werden es Richten.

    Die ersten Wahlen kommen im März und dann gehts Zug um Zug und 2013 wird wohl einige dieser Schnössel nicht mehr geben. Das einzigste was dabei stört ist das diese Schnössel eine Pension haben so das sie sich Ahlen können.

  • F
    Fast-Rentner

    Es ist immer wieder interessant zu sehen (lesen), daß hier wie bei vielen anderen Themen Fakten offensichtlich keine Rolle spielen. Und Tatsache ist nun einmal:

     

    1. Die heutigen Rentner leben "auf Kosten" derjenigen, die versicherungspflichtig beschäftigt sind. Das ist systemimmanent. Heutige Rentner haben die Generation davor finanziert.

     

    2. Die von den Erfindern des Generationenvertrages getroffenen Annahmen zu Lebensdauer und Alterspyramide stimmen nicht mehr. Sie haben sich dramatisch verändert, was für ein umlagefinanziertes System verheerende Folgen haben muß.

     

    Wir können uns also auf den Kopf stellen, jammern, klagen und über die "Ungerechtigkeiten von denen da oben" schimpfen, es wird nichts daran ändern, daß sich das System ändern muß. Ohne teils bittere Konsequenzen womöglich für (mindestens) eine ganze Generation wird das wohl kaum zu bewerkstelligen sein. Längere Lebensarbeitszeiten als Reaktion auf eine erheblich höhere Lebenserwartung, mehr eigene Vorsorge statt Versorgung auf dem Rücken unserer Kinder sind Auswege, die es vielleicht erlauben, dauerhaft eine Grundversorgung aller Rentner zu gewährleisten. Für manchen Betroffenen mag sich das zynisch anhören. Es erscheint mir indes nicht weniger zynisch, von den (zu) wenigen Kindern, die die heutigen Rentnergeneration in die Welt gesetzt hat, immer mehr an Transferleistungen zu verlangen. Wir sollten nicht vergessen, daß wir immer dann, wenn wir nach "Staat" schreien, am Ende stets nur uns selbst meinen. Denn der Staat gibt das aus, was wir ihm über Steuern etc. geben - das gilt selbst für die Schulden, die dieses Land schon im Übermaß hat; die zahlen wir nur später.

  • V
    vic

    100 jährige Dürfen ab sofort Millionär werden.

    Wie, bleibt ihnen überlassen.

  • HL
    Hauke Laging

    "In beiden Fällen ist es unwahrscheinlich, dass sie ihre Rente durch Zusatzverdienste aufbessern können." Bei dieser Formulierung habe ich Bedenken. Es erscheint mir aber unwahrscheinlich, dass diejenigen ihre Rente in einem Umfang aufbessern können, für den diese Regelung relevant ist.

  • EW
    Eva Willig

    Es gilt zu bedenken, dass seit 2008 die 58er-Regelung abgeschafft wurde und Verharzte jetzt mit 63 zwangsfrühverrentet werden. Was ist, wenn der Frührentner vorher 1€ Jobber war? Bei mir war der letzte Verdienst eine Projektleitung als ABMerin und die wurde so entlohnt, dass ich ergänzende Grundsicherung bekam. Wo sind die Arbeitsstellen für die jungen Alten?

    Wäre es der FDP ernst mit dem würdevollen Umgang mit Alten, dann würden sie das Schonvermögen im SGB XII auf das Niveau des Schonvermögens des SGB II anheben. Aber dann könnten sie sich ja an den alten ergänzend Grundsicherungsbeziehern nicht mehr bereichern.

  • A
    Amos

    Das ist typisch für die Schnösel- Partei; die kommt immer mit Vorschlägen die Kabarettreif sind.Anstatt die Menschen bis zum umfallen arbeiten zu lassen, sollten sie-anstatt sich ständig die Diäten zu erhöhen- auch selbst mal was in die Rentenkasse einzahlen. Alle -nach dem Schweizer Muster-sollten einzahlen! Wo sind eigentlich die Gewerkschaften? sind die auch schon im Arsch des Kapitals!

  • EW
    eddy wintergerst

    bei einer 4% partei kann man nichts anderes erwarten,

    nur erkennt der wähler das auch ?

  • D
    dapet87@web.de

    Vielleicht raffen es auch mal die letzten, in Zeiten immer weniger Nachwuchses und daraus resultierenden immer weniger werdenden Einnahmen werden Kürzungen kommen müssen. Es geht gar nicht anders. Es geht nicht anders, acuh wenn ihr es nicht wahrhaben wollt. Auch im Sozialismus, muss erst einmal erwirtschaftet werden, was anschließend verteilt werden kann.

  • C
    Celsus

    Angeblich ist ja das rasant steigende Alter dafür verantwortlich, dass zum Teil sogar mehrmals jährlich Verschlechterungen bei der Rentengesetzgebung verankert wurden. So schnell können Erkenntnisse über eine zunehmende Lebenserwartung sich doch nicht dauernd noch übertreffen. Es ist leichtgläubig, naiv und dumm das einfach mal so zu glauben.

     

    Ein Grund ist doch, dass es immer mehr prekäre Jobs gibt. Wer im Sinne der Statistik nicht mehr als arbeitslos gilt, weil ihm seit einem Jahr vom JobCenter kein Job mehr angeboten wrude, wird ebenfalls seine oder ihre Rente nicht mehr in schwindelerregende Höhen treiben können. Für diese Personen der immer noch bestehenden Massenarbeitslosigkeit gibt es dann leider auch nicht hinreichend Posten in Vorständen börsennotierter Unternehmen.

     

    Und um die Wahrheit auszusprechen: Es ist wirklich nicht das rasant steigende statistische Alter der Bevölkerung, das Anhebungen des Renteneintrittsalters oder sonstige indirekte Rentenkürzungen erforderlich machen würde. Es gilt auch für die Medien sich einmal die Mühe zu geben, die forschen Behauptungen der PolitikerInnen in statistischer HInsicht auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

  • PS
    Paul Schäfer

    Ich bin alles andere als ein Freund der FDP und aus der CDU bin ich im Dezember ausgetreten. Ich gehe auch nicht davon aus, dass der Vorschlag der FDP gut gemeint ist. Trotzdem sollte er nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Es gibt nicht wenige Zwangsfrühverrentete, die auf Dauer mit erheblichen Rentenabschlägen zurechtkommen müssen und mit der 400-Euro-Grenze ihre Probleme haben. Und was spricht dagegen, dass Personen, die aus Tätigkeiten mit körperlich hoher Belastung kommen, eine vorgezogene Rente in Anspruch nehmen und sich in einer weniger belastenden Beschäftigung einen Ausgleich verdienen können. Ähnliche Regelungen gab es schon, die wurden aber von Blüm bis Riester usw. abgeschafft. Zur Kenntnis nehmen sollte man auch, dass Menschen mit 60 oder mehr Lebensjahren durchaus noch leistungsfähig sind und sich noch nicht endgültig zur Ruhe setzen wollen. Realität ist aber, dass sie aus den Betrieben ausgeschleust bzw. im Falle der Arbeitslosigkeit nirgends mehr auf einem normalen Arbeitsplatz eingestellt werden. Gegen Lohndumping sollte mit anderen Mitteln wie flächendeckenden Mindestlöhnen und ähnlichem vorgegangen werden. Ob die FDP weiß was sie da vorgeschlagen hat, ist fraglich. Die Idee sollte aber im Sinne eines geordneten Ausscheidens Älterer aus dem Arbeitsleben aufgegriffen und weiterentwickelt werden, statt einfach nur ideologisch dagegen zu halten.

  • S
    Sozial

    Als ich gestern den Artikel dazu in der "Bild" gelesen hatte, habe ich, der gerade einen 400,- Euro Job wegen geringer Rente angenommen hat, mich eigentlich gefreut. Aber Ihr Beitrag hat mir die Augen geöffnet. Die FDP ist ein verlogener Haufen!!

    ---

    Heute war meine Rente auf dem Konto und wieder waren es 4,00 Euro weniger!! Rößler und Co. läßt grüßen!!

  • S
    Stefan

    "Es sind also Menschen, die den Arbeitsmarkt vorzeitig verlassen haben - weil sie gesundheitlich eingeschränkt sind oder keine Stelle fanden."

     

    oder, und das wird für die meisten gelten, vom JobCenter durch die ALG Regelungen dazu gezwungen wurden.

     

    Solche Vorschläge habe hauptsächlich das Ziel, auch weiterhin einen Niedriglohnsektor zu etablieren - als Zuverdienst rechnet man einfach ganz anders, als wenn man sein volles Einkommen davon bestreiten müsste. Das erzeugt dann wiederum Druck auf diejenigen, die das müssen.

     

    Wo sollten denn Jobs im "Normallohnsektor" herkommen, wenn sie vorher schon nicht da waren und man überhaupt nur deshalb in Rente hat gehen müssen?

     

    vg, stefan