Kommentar: Ex-Regierender über seinen Abgang: Diepgen bedauert sich selbst

Eberhard Diepgen sagt in einem Interview, dass er 2001 doch besser zurücktreten wäre. Fast ist man geneigt, vor dieser wenn auch späten Einsicht den Hut zu ziehen. Aber nur fast.

Nach gut sieben Jahren rot-rotem Senat sieht der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) reumütig auf seinen Abgang 2001 zurück. "Ich hätte zurücktreten müssen", sagte Diepgen der Morgenpost Online. Der CDU-Politiker war damals als erster Regierungschef der Berliner Nachkriegszeit von Rot-Rot-Grün abgewählt worden. Sich dieser Abwahl zu stellen bezeichnete der 68-Jährige rückblickend als "Fehler". Die große Koalition war Mitte 2001 wegen der CDU-Parteispenden- und Bankenaffäre zerbrochen. Kritisch äußerte sich Diepgen auch zur jetzigen Politik der Bundes-CDU. In der Steuer- und Sozialpolitik wünschte er sich Kurskorrekturen. "Unter dem Aspekt der Menschenwürde" hält Diepgen einen "Mindestlohn für richtig". Und in das Konjunkturprogramm gehöre ein klareres Zeichen gegen die kalte Steuerprogression. Etwas Positives kann der ehemalige Regierende Bürgermeister dagegen der Mitregierung der Linken abgewinnen. Das habe zum Zusammenwachsen der Stadt beigetragen, sagte Diepgen. "Die Eliten der DDR sind stärker eingebunden." DPA

Es ist ein fast unauffälliger Satz, den Eberhard Diepgen (CDU) den Kollegen von der Morgenpost in den Block diktierte. Ja, gesteht da die alte Silberlocke ausgerechnet im großen Interview zum 25. Jahrestag seiner ersten Wahl zum Regierenden Bürgermeister von Berlin (West), ja, es sei ein Fehler gewesen, dass er sich 2001 nach dem Skandal um die Berliner Bankgesellschaft von SPD, Grünen und PDS habe abwählen lassen. Er hätte zurücktreten sollen. Und fast ist man geneigt, vor dieser wenn auch späten Einsicht den Hut zu ziehen. Fast.

Dabei spielt es gar keine Rolle, dass der blasse Eberhard mit kaum acht Jahren doch arg lang für seine Einsicht brauchte. Schließlich, und das erzählt der altersweise Ebi an anderer Stelle im selben Interview, dauert in Deutschland alles etwas länger.

Viel entscheidender ist ein Blick in die Archive. Und da wird klar: In den zehn Tage des Juni 2001 zwischen dem Austritt der SPD aus der bis dato regierenden großen Koalition und dem Sturz des Regierenden Eberhard durch ein von SPD, Grünen und PDS getragenes Misstrauensvotum wurden viele Rücktritte gefordert. SPD und Opposition etwa verlangten den endgültigen Abgang des CDU-Strippenziehers Klaus Landowsky, der da tatsächlich noch Parteivize war. Diepgen selbst forderte den Rücktritt der SPD-Senatoren, die trotz Austritt aus der Koalition im Amt blieben. Und es stimmt: Die Grünen forderten mal kurz Diepgens Rücktritt, was der prompt ablehnte. Für alle anderen war das schlicht kein Thema.

Denn Diepgen war da längst Vergangenheit, weil er monatelang versäumt hatte, seinen Laden aufzuräumen, bis er selbst in dem Chaos unterging. Ein Rücktritt aus Verantwortungsgefühl, deutlich vor dem Platzen der Koalition, das hätte Stil gehabt.

Jahre später aber zu bedauern, dass man nicht gegangen ist, als eh schon alles verloren war, das mag der Gefühlswelt eines traurigen Senioren entsprechen. Respekt verdient das nicht mehr.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.