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Kommentar EurokriseSparen als Symbolpolitik

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Investoren schöpfen Hoffnung. Aber ihr Optimismus rührt nicht daher, dass die Eurostaaten jetzt sparen. Sondern die Anleger setzen darauf, dass mehr Staat zu erwarten ist.

D ie Aktienkurse steigen, während die Zinsen für Italien und Spanien fallen. Schon wirkt es, als würde die Eurokrise von selbst verschwinden. Als hätten die Schwarzseher mal wieder übertrieben. Und als würde Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigt, die stur an ihrem Mantra festhält, dass die Euroländer nur fleißig sparen müssten, um einen Crash abzuwenden. Ist jetzt alles gut?

Die Inszenierung jedenfalls könnte für Merkel nicht besser laufen: Kaum trifft sie sich mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, um den Defizitsündern zu drohen, da beruhigen sich auch schon die Finanzmärkte. Wenn das kein zwingender Zusammenhang ist.

Nun lehrt aber bereits die Philosophie, dass Gleichzeitigkeit noch lange nicht bedeutet, dass auch eine Kausalität besteht. Die Investoren schöpfen Hoffnung, das ist wahr. Aber ihr Optimismus rührt nicht daher, dass die Eurostaaten jetzt sparen. Ganz im Gegenteil: Die Anleger setzen darauf, dass demnächst mehr Staat zu erwarten ist.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Hinter diesem scheinbaren Paradox verbirgt sich eine schlüssige Gedankenkette: Wenn sich die Staaten zu einem rigiden Sparkurs bekennen, dann wird offensichtlich, dass sie keine verantwortungslosen Defizitsünder sind. Und dann, ja dann kann endlich die Europäische Zentralbank (EZB) einspringen.

Die Investoren wetten darauf, dass die EZB demnächst beginnt, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen. Das lässt sich in jedem Interview mit einem Portfolio-Manager nachlesen. Es geht nur noch darum, dass die Bundesbank, die sich bisher sträubt, nicht vollends ihr Gesicht verliert. Und als symbolisches Zugeständnis sind Merkels Sparvorschläge durchaus hilfreich - weswegen sie von den Finanzmärkten belohnt werden. Anders formuliert: Die Kanzlerin hat jetzt Erfolg, weil sie künftig scheitern wird.

Angela Merkel scheint zu wissen, dass ihr Widerstand gegen eine EZB-Intervention zwecklos war und ist. Jedenfalls stellt sie neuerdings gern fest, dass die Zentralbank "unabhängig" sei. Woraus zwingend folgt, dass die EZB ganz "unabhängig" beschließen kann, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen - wie es die US-Notenbank schon immer tut.

Aber erst einmal muss der Brüsseler EU-Gipfel abgewartet werden, der am Donnerstag anfängt. Danach beginnt dann eine neue Zeitrechnung. Wenn die Sparbeschlüsse verabschiedet sind, ist alles offen - für die EZB.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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4 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Richtet man sich weiter nach den Rating-Agenturen, dann wird bald nichts mehr gehen! Womit diese Leute ihr

    Geld verdienen ist überhaupt suspekt.

  • W
    Waage

    Hierzu ein Auszug aus einem Kommentar aus der FAZ von Holger Steltzner:

     

    " (...) Zu den dauerhaften Kollateralschäden einer solchen Politik (Wachstum nach Belieben mit billigem Geld schaffen zu können)zählen (...) immer größere Spekulationsblasen, der Abstieg der Realwirtschaft und eine aufgeblähte Finanzbranche.(...)"

     

    Es kann doch nicht Ziel einer "linken" Politik sein den Kasinokapitalismus zu befeuern - Frau Herrmann!?!

     

    Das ich auf meine alten Tage die FAZ in der TAZ zitieren muss!

  • M
    Maik

    Naja, aber dann hat die Frau Herrmann ihr Ziel ja erreicht. Das alles, ohne uns zu sagen, wer die Kosten für die von ihr herbeigeschriebene Inflation zahlt.

  • S
    spiritofbee

    Jeder europäische Politiker sollte ein mindestens einjähriges Praktikum im Hauptsitz der FederalReserveBank bekommen, selbstverständlich als berufsbegleitende Fortbildung mit Fortzahlung der Diäten und Apagnen.

    Ein Zertifikat fürs Büro mit Medaille versteht sich von selbst.