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Kommentar EurogipfelEuropa lernt in der Krise

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Weil der gehebelte Rettungsschirm so ein Murks ist, dürfte der entscheidende Kulminationspunkt der Krise demnächst erreicht sein. Am Ende kommen die Eurobonds.

M an kann die Eurokrise als Katastrophe sehen. Aber muss man das? Es läuft doch bisher bestens. Das bankrotte Griechenland reformiert sich, Italien bereitet sich auf das Ende von Skandalpremier Berlusconi vor, und die Investmentbanken haben ihren Nimbus verloren.

Der Fortschritt mag meist eine Schnecke sein, aber durch die Eurozone rast gerade ein Zug. Natürlich wäre es noch idealer gewesen, wenn man die Krise gleich ganz vermieden hätte. Aber dieser Wunsch verkennt das Wesen von Politik: Es rechnet sich für Politiker einfach nicht, eine Krise abzuwenden, die die Mehrheit der Wähler gar nicht kommen sieht.

Eine tiefe Krise musste also sein, damit die Eurostaaten zusammenfinden. Zudem könnte die Krise sogar bald vorbei sein, was zunächst erstaunlich klingen mag. Doch ist klar, dass der entscheidende Kulminationspunkt demnächst erreicht sein dürfte - gerade weil der gehebelte Rettungsschirm ein solcher Murks ist.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Einen Nachteil hat die deutsche Opposition sofort gesichtet: Das Risiko für den deutschen Steuerzahler steigt. Vor allem aber ist "Risiko" keine objektive Kategorie - sondern hängt bei der Eurokrise sehr stark von der Wahrnehmung der Finanzmärkte ab. Und die werden weiter Panik schieben, schon weil ein gehebelter Rettungsschirm eine so seltsame Konstruktion ist.

Also werden die Staatsanleihen von Italien und Spanien weiter an Wert verlieren, was dann erneut die europäischen Banken wackeln lässt - sodass irgendwann Frankreichs Rating absäuft und sogar der Rettungsschirm schwankt. In diesem Moment ist der Zug dann angekommen, der durch Europa rast. 17 Euroländer müssen sich entscheiden, ob sie eine gemeinsame Wirtschaftsregierung ertragen. Übersetzt: ob sie Eurobonds einführen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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3 Kommentare

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  • K
    Kati

    Die Kommentare der Frau Herrmann sind mittlerweile so schlicht und inhaltlich so vorhersehbar, dass sies nicht einmal mehr wert sind, kommentiert zu werden.Interessanterweise erzählt sie uns nichts von dem, was mit den Eurobonds und der sogen. Wirtschaftsregierung passiert. Mal ganz abgesehen davon, dass dies dem Grundgesetz widerspricht. Das aber juckt die taz aktuell am wenigsten. Angeblich immer mehr Genossen der neoliberalen taz? Sind die alle Diekmänner oder so?

  • A
    Atan

    Ich lese die taz-Kommentare zur Euro-Krise inzwischen nur noch, um das betäubte Nichtverstehen einer massiven wirtschaftlich-politisch Veränderung zu bewundern.

    Das sind so kindliche Weihnachtsmann-Fantasien hier. Eurobonds sind schon lange aus der Diskussion verschwunden, weil als Thema verbrannt und auch unnötig. Die Politiker sind doch schon gar nicht mehr Herr des Verfahrens, daher würden auch "Eurobonds" inzwischen von den Märkten mit Misstrauen betrachtet. Man will auch hier partout nicht einsehen, dass "Eurobonds" ein gewissen gemeinsamen politischen Struktur bedürften, die aber mit den -national angelegten- Grundinteressen der politischen Akteure nicht übereinstimmen.

    Entweder wird der Euro untergehen -durch Austritt von Mitgliedern- oder aber die EZB wird zum gemeinsamen Staatsfinanzierer, weil sie als einzige handlungsfähige Institution übrigbleibt. Die Folge ist ein bürokratischer Infight um ihre Kontrolle und Inflation.

  • V
    Volksverdummung

    .

    Die Krise als Geburtshelfer eines europäischen Zentralstaats, dem die elementarsten demokratischen RÜCKKOPPLUNGSSTRUKTUREN fehlen! Das wird nicht ohne Widerstand der souveränen STAATSBÜRGER abgehen!

     

    Ganz schön "frech" :-) und verschwörerisch dieser Satz (!):

    ZITAT: "Eine tiefe Krise m u s s t e also sein, damit die Eurostaaten zusammenfinden."

    Da könnte man glatt darauf kommen, dass "jemand" Regie führt...

     

    .

    "Europa" lernt ? -

    ...bis auf Frau Herrmann!

    Noch so ein irritierendes TEXTZITAT:

    "Es läuft doch bisher bestens. Das bankrotte Griechenland reformiert sich...."

     

    "REFORM" ist bestes neoliberales KAUDERWELSCH, und so perfide wie die propagandistische Charakterisierung deutscher "HARTZ-Hängematten".

    Denn in Griechenland werden wirtschaftspolitischer Kahlschlag, Massenentlassungen und "Daumenschrauben für die ohnehin am Rande der Gesellschaft stehenden Schichten" nicht aus REFORM-, sondern aus PEKUNIÄREN GRÜNDEN per Gesetz verordnet.

    Die "REFORMEN", die die -politisch vergewaltigten- griechischen Arbeitnehmer und Bürger jetzt ertragen sollen, zielen NUR darauf ab, möglichst hohe Staatseinnahmen aus den Bürgern herauszupressen, ohne dass man den Bürgern eine realistische PERSPEKTIVE gibt, jemals wieder aus den Löchern emporsteigen zu können, in welche man sie jetzt, ohne eine Abwägung der Folgen, verbannt.

    DIE FAKTEN: Die griechische WIRTSCHAFT schrumpft aktuell dramatisch; die Erwerbslosenzahlen steigen steil an! Ausserdem sinken auch die Staatseinnahmen aufgrund des wirtschaftlichen Kahlschlags. Eine Bedienung der Schulden ist utopisch geworden, die PLEITE des STAATES ist unvermeidlich geworden!

     

    Das ist die REFORM von Frau Herrmann...

    Europa lernt?

    .

     

    Wer ist "Europa" ? -

    ...vielleicht die "Bürger" ? Oder ist "Europa" eine geschlossene Gesellschaft illustrer, sich selbst viel zu wichtig nehmender Regierungs-, Lobby- und Pressevertreter, die sich zunehmend auf diversen Wohltätigkeitsbällen, genannt "Euro-Gipfel", tummeln?

    Die geschlossene Gesellschaft sollte sich nichts einbilden. Ohne EUROPAS BÜRGER ist sie ein NICHTS!

    Eigentlich sollte man von "klugen Machtmenschen" erwareten, dass Sie politische Realisten sind. Gegen Europas Bürger zu handeln könnte sich als VERMESSENE, zentral und medial gesteuerte MACHTUTOPIE erweisen....

    .

     

    • "BÜRGER Europas" lernen !

    .

    A. Europas Bürger nehmen zur Kenntnis, dass SIE, ohne Gegenleistung (!), für Schulden HAFTBAR gemacht werden, die ANDERE gemacht haben !

     

    NICHTS, nichts wurde reformiert, geändert, verbessert! Es gab ja auch keinen politischen DRUCK, z. B. von der Strasse, oder in den Parlamenten, oder von Seiten der "gehirngewaschenen" Gewerkschaften, die dringend einer programmatischen und wohl auch personellen RADIKALKUR bedürfen (...!).

    .

     

    B. Europas Bürger nehmen zur Kenntnis, dass IHRE REGIERUNGEN seit dem Ausbruch der FINANZKRISE 2008 keinen einzigen Versuch gemacht haben, die asozialen Strukturen des globalisierten Finanzmarktes zu regulieren:

     

    - keine Transaktionssteuer

    - kein Verbot ungedeckter Leerverkäufe (reines Wettgeschäft!)

    - keine Anzeichen, die im Oktober 2008 (!) aufgeweichten Bilanzierungsvorschriften und Abschreibungsrichtlinien wieder der REALITÄT anzupassen (seit Oktober 2008 kann man doch keiner BANKBILANZ mehr trauen)!

     

    Europas Bürger nehmen zur Kenntnis, dass IHRE REGIERUNGEN dem spekulativen Treiben an den DERIVATEMÄRKTEN tatenlos und ungerührt (oder verständnis- und hilflos?) zuschauen...

    .

     

    C. Europas Bürger nehmen zur Kenntnis, dass IHRE REGIERUNGEN die PARLAMENTE und -auch- die Bürger arglistig getäuscht haben!

    .

    Den Parlamentariern in Berlin, Bratislava etc. wurde weisgemacht, dass die zu bewilligenden STEUERGELDER der "Rettung von Staaten der EURO-Zone" dienen sollten.

    (spätestens jetzt sollte, nein MUSS, dem Dümmsten aufgegangen sein, dass er, wie auch die "Abgeordneten der Bürger", politischen MÄRCHENERZÄHLERN und LOBBYISTEN der Finanzindustrie (Jörg Asmussen u. Kpnsorten) auf den Leim gegangen ist...

    .

     

    D. Europas Bürger nehmen zur Kenntnis, dass auch die "TAZ" unentwegt den irreführenden Terminus "Griechenland-Rettung" in ihren Artikeln verwendet, als ob man nicht wüßte, dass die Gelder aus den "Rettungsschirmen" NIE bei den Griechen ankommen werden, weil die Finanzminister und Regierungschefs der informellen "Gipfelmafia", nebst Ihren "Beigeordneten" aus der FINANZWELT, bereits verabredet haben, mit den "Schirmgeldern" die BANKEN zu rekapitalisieren, anstatt damit die Bürger und die Volkswirtschaften ganzer EU-Staaten vor irgend einer "Pleite" zu retten...

     

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    E. Für souveräne Bürger ist es selbstverständlich an, dass in unserer parlamentarischen Demokratie eben NUR IHRE GEWÄHLTEN VERTRETER, die Mitglieder des deutschen Bundestages "GESCHENKE" an die Banken machen dürfen (...aber nicht machen sollen)!

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    Der deutsche Regierungs- und BANKENTROSS bei den diversen SCHAUTAGUNGEN, die unter dem Begriff "EURO-Gipfel", oder "Griechenland-Rettungs-Gipfel" firmieren, besitzt keine VOLLMACHT des Bundestages.

    Die Regierung ist nicht der Souverän...,auch wenn Sie eine vorübergehende Ermächtigung zum Regieren bekommen hat.

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    HESSE

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