Kommentar Erhöhung Kindergeld: Die zweite Ausgrenzung
Die beschlossene Kindergelderhöhung spart Hartz-IV-Empfänger aus. Das entspricht zwar geltendem Recht. Gerecht ist es aber nicht.
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte es stolz verkündet: Das Kindergeld steigt ab Januar für das erste und zweite Kind um jeweils zehn Euro monatlich von 154 auf 164 Euro. Für das dritte Kind erhöht sich die Summe sogar um 16 Euro im Monat. Nun weiß man aus der Verbraucherforschung, dass Geld umso mehr wert ist, je weniger man davon hat. Für einen Hartz-IV-Empfänger bedeuteten zehn Euro ungleich mehr an Lebensqualität als für einen Hochverdiener. Zehn Euro wären ein Kinobesuch oder ein bisschen mehr Gemüse. Wären.
Gerade Hartz-IV-Empfänger mit Kindern bekommen keinen Euro mehr. Denn das erhöhte Kindergeld wird bei den Hartz-IV-Familien sofort auf die Sozialleistung angerechnet und diese wird entsprechend gekürzt - die Sozialleistungsempfänger bleiben also von der Familienförderung ausgeschlossen. Dies ist eine zweite Ausgrenzung.
Und sie betrifft nicht nur Hartz-IV-Empfänger: BezieherInnen von Unterhaltsvorschussleistungen, die allein ihre Kinder erziehen, protestieren derzeit dagegen, dass es auch für sie keinen Euro mehr im Monat gibt. Und das auch dann, wenn diese Mütter arbeiten und gar kein Hartz IV, sondern eben nur Unterhaltsvorschuss beziehen, weil die Väter nicht zahlen wollen. Das Kindergeld wird auch auf diesen gesetzlichen Mindestunterhalt angerechnet. Hochverdiener hingegen, die den gesteigerten Kinderfreibetrag von der Steuer absetzen können, gewinnen mehr - obwohl sie das wohl gar nicht spüren werden.
Nun führen Politiker für diese Systematik natürlich rechtliche Gründe an. Da Sozialleistungen wie die Zahlungen nach Hartz IV nun mal sogenannte nachrangige Leistungen sind, muss alles zusätzliche Einkommen, eben auch das Kindergeld, darauf angerechnet werden. Stimmt ja. Genau deswegen sollte die Steigerung des Kindergelds den Anstoß geben, die Höhe des Sozialgelds für Kinder in Hartz-IV-Familien und den Unterhaltsvorschuss zu überdenken. Um wenigstens diese zweite Ausgrenzung zu verhindern.
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