Kommentar Entschädigung Missbrauchsopfer: Flatrate für Sexspielchen
Mit der Summe von 5.000 Euro als Entschädigung für Missbrauchsopfer haben die Jesuiten Discount-Preise vorgegeben. Die katholische Kirche bleibt auf dem Niveau.
F ünftausend Euro - die Summe scheint sich in Kirchenkreisen als eine Art Flatrate für langjährige Sexspielchen einzubürgern. Exakt so viel hatten die Jesuiten ihren Missbrauchsopfern als Entschädigung angeboten: ein schöner Beleg dafür, dass Discountpreise den Markt kaputtmachen. Denn nun, ein gutes halbes Jahr später, zieht die katholische Amtskirche in Deutschland mit demselben Angebot nach. Und zwar als "schnelle und unbürokratische Hilfe", wie die Bischofskonferenz erklärte.
Eine Sofortmaßnahme also, ein bis mehrere Jahrzehnte nachdem der Großteil der bekannt gewordenen Fälle begangen wurde, ein bis mehrere Jahrzehnte nachdem Meldungen darüber von den Geistlichen mit erheblicher weltlicher Energie vertuscht wurden. Noch schnellere Hilfe ist praktisch nicht denkbar. Gut Ding will Weile haben, könnte man nun dagegenhalten, 5.000 Euro - was kann man damit nicht alles machen! Einen Abend im Luxusbordell bekäme man damit sicherlich finanziert.
Eine Verwendungsmöglichkeit für die Opfer wäre natürlich auch eine Psychotherapie zur Aufarbeitung ihres Missbrauchsfalls. Wenn sie nicht allzu langwierig ausfällt. Natürlich, das muss man der Kirche zugute halten: Es geht nur um eine Vorabhilfe, für andere Regelungen, die der runde Tisch zum Thema eines Tages vielleicht beschließt, ist man offen, und in besonders schweren Fällen will man auch noch etwas drauflegen.
HEIKO WERNING ist Autor der taz und Blogger auf taz.de.
Das eigentlich Schlimme ist: Man muss davon ausgehen, dass die Bischofskonferenz bei diesem Angebot nicht einmal an Sparzwänge oder Betriebswirtschaft gedacht hat. Es ging ihr vermutlich, wie sie es formulieren würde, um den Menschen. Was halt viel darüber aussagt, für wie schwerwiegend die Kirchenoberen Missbrauch nach wie vor halten: für irgendetwas in der Wertklasse eines mäßigen Gebrauchtwagens eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!