Kommentar Energiewende: Beschleunigen statt verzögern
Solarenergie lieferte an Pfingsten zeitweise fast die Hälfte des Strombedarfs. Wenn Altmaier die Zeichen richtig deuten würde, müsste er für eine Beschleunigung der Energiewende eintreten.
S ie sind wirklich zuverlässig, die Kohle- und Atomlobbyisten in diesem Land: Der neue Umweltminister Peter Altmaier ist noch keine Woche im Amt, da starten sie schon den ersten Versuch, die Energiewende zurückzudrehen. Der Umstieg auf erneuerbare Energien sei schwieriger und teurer als gedacht, tönt FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und fordert mehr Kohlekraftwerke. Und Michael Fuchs spricht als CDU-Vizefraktionschef sogar schon wieder über längere AKW-Laufzeiten.
Altmaier hat diese erste Attacke souverän zurückgewiesen. Wer den Atomausstieg infrage stellt, ist für ihn „keine ernst zu nehmende Kraft“, und an den Ausbauzielen für Erneuerbare will er festhalten. Diese Reaktion ist erfreulich – aber bei genauerer Betrachtung zu defensiv.
Denn parallel zum Gemäkel aus den eigenen Reihen gab es in den letzten Tagen einige Meldungen, die die Zweifler ziemlich uninformiert aussehen lassen. So hat die Solarenergie, die von den Kohle- und Atomfreunden gern als teuer, aber irrelevant verspottet wird, an Pfingsten rund 20 Prozent des deutschen Stroms geliefert, mittags sogar fast die Hälfte.
ist Parlamentsredakteur der taz mit Schwerpunkt Wirtschafts-und Umweltpolitik.
Auch die Behauptung, dass die Energiewende den Strom verteuere, ist mittlerweile widerlegt. An der Strombörse sanken die Preise im ersten Quartal 2012 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als noch alle AKWs liefen, um 14 Prozent. Daran hat gerade die Solarenergie einen wichtigen Anteil, die in den Mittagsstunden – wo der Verbrauch am höchsten ist – zu einer deutlichen Absenkung der Preise führt und die wegen der dezentralen Produktion weniger neue Fernnetze erfordert.
Wenn Altmaier die Zeichen richtig deuten würde, müsste er demnach nicht nur für eine Beibehaltung, sondern für eine Beschleunigung der Energiewende eintreten. Wenn die Entwicklung so weitergeht wie bisher, kann Deutschland auf die letzten Atom- und Kohlekraftwerke deutlich früher verzichten als derzeit geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten