Kommentar Elefantenrunde im Fernsehen: Eine Runde für den Friedhof
Alle streiten wegen der AfD-Teilnahme bei den Wahltalkrunden. Dabei sollten wir uns fragen, warum es diese Fernsehfossilien überhaupt noch gibt.
D ie Aufregung um die Teilnahme der AfD bei den Elefantenrunden in Mainz (und in Stuttgart) ist schwer verständlich – denn eigentlich wäre Jubel angebracht. Endlich führt sich dieses traurige Relikt einer untergegangenen Medien- und Politiklandschaft so ad absurdum, dass wir bald keine Elefantenrunden mehr haben werden. Welch eine Erlösung!
Es ist nicht zu verleugnen: Wer noch das Privileg hatte, in den 70er und 80er Jahren Franz-Josef Strauß in Elefantenrunden der ARD oder ZDF nach Bundes- oder Landtagswahlen zu erleben, zugeschaltet vom Bayerischen Rundfunk aus München, schwitzend, betrunken und polternd – das war großes Kino.
Auch Willy Brandt, Joschka Fischer oder Herbert Wehner hatten, zumindest der Erinnerung nach, da ganz große Momente. Das war scharf, bissig, lustig oft und auf jeden Fall unterhaltsam. Der Niedergang der Kunstform Elefantenrunde begann, wie vieles, mit Helmut Kohl, aber das ist eine andere Geschichte.
Was wir dagegen seit Jahren als Elefantenrunden erleben, ist ein Elend, ein langweiliges zumal. Da kommen Politikerinnen und Politiker zusammen, die zunächst wortreich allen danken, die sie gewählt haben oder im Wahlkampf geholfen haben. Dann wird das eigene Wahlergebnis auf eine jede Intelligenz beleidigende Art und Weise schöngeredet, und sei es noch so desaströs.
Köln ist bis heute ein Social-Media-Phänomen. Wie selten beeinflusst es auch die Berichterstattung. Was aus den Medien wird, wenn Emotion Erkenntnis schlägt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23.1. Außerdem: Eine syrische Familie ist vor Lesbos ertrunken. Damit ihre Seelen Ruhe finden können, riskiert der Vizebürgermeister seinen Job. Und: Helfen Joghurts gegen Darmbeschwerden? Eine Sachkunde über das autonom arbeitende Bauchhirn. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Schließlich fragen überforderte Medienleute die Fragen, die sie fragen müssen: nach zukünftigen Koalitionen vor allem – und die Antwort muss natürlich sein: Das bespreche ich erst einmal mit meinen Parteigremien, na klar, so muss es sein in einer Demokratie, die kluger Weise auch innerparteiliche Demokratie einfordert. Das Ganze ist so vorhersehbar und öde, dass der Griff zur Fernbedienung fürs Weiterzappen beinahe zur Notwendigkeit einer geistigen Gesundheit wird: Das ist nicht mit anzusehen!
Elefantenrunden hatten vielleicht ihren Sinn in einer Medienlandschaft, in der es nur zwei bundesweite TV-Anstalten und eine Handvoll überregionale Zeitungen gab – in Zeiten also, in denen sich Politik viel weniger als heute dauernd in vielen, vielen Medien erklärte oder erklären musste. Es gab zudem noch keine oder nur wenige Talkshows, in denen das politische Spitzenpersonal sich und seine Politik darstellen oder für politische Positionen werben konnte.
Die Koalitionsmöglichkeiten waren geringer, man musste sich in den Elefantenrunden weniger mit festlegenden Aussagen zurückhalten. Denn es war ja eigentlich schon klar, wer mit wem konnte – und wer nicht. Und es gab, im Großen und Ganzen, mehr kantige Frauen und Männer in der Politik, die nicht durch die Dauerüberwachung der Medien- und Erregungsgesellschaft über Jahre glatt geschliffen worden waren. Nicht, dass dadurch die Politik besser war, natürlich nicht, aber sie war zumindest unterhaltsamer.
Wenn nun die Zeit der Elefantenrunden zu Ende geht, ist das nur gut: Man sollte ihnen keine Tränen nachweinen. Nicht zuletzt die öffentlich-rechtlichen Sender wären von einer Last befreit – Gott sei Dank sind auch sie in der Regel nicht mehr so umklammert von der Parteipolitik. Sie haben die Freiheit, den schon fossilierten Elefantenscheiß namens Elefantenrunde zu entsorgen.
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