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Kommentar EU-RettungsschirmDie Richtung stimmt

Kommentar von Stephan Schulmeister

Die europäische Währungsunion ist bedroht. Was Europa jetzt braucht, ist eine starke Führung, die die Gemeinschaftswährung verteidigt.

B is zum Herbst 2009 waren die Anleihezinsen der Euroländer annähernd gleich gewesen. Dann entdeckten die Finanzakrobaten ein neues Geschäftsfeld: Spekulation auf den Bankrott der schwächsten Staaten. Als erster Ball im Doppelpassspiel diente Griechenland: Ratingagentur (RAG) 1 stuft das Land herab, Finanzalchemiebanken (FAB) wie Goldman Sachs oder Deutsche Bank übernehmen und erhöhen die CDS-Prämien. Jetzt läuft der Ball zu den Anleihehändlern: Sie erhöhen die geforderten Zinsen, das Risiko ist ja gestiegen. Rückpass zu RAG 2, sie stuft Griechenland weiter herunter.

Griechenland versuchte, diesen Prozess mit einem brutalen Sparpaket zu stoppen. Zur Belohnung stiegen die Zinsen von 12 auf 17 Prozent. Auch für Irland und Portugal wurden sie unbezahlbar (11 Prozent): Ab unter den Rettungsschirm! Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt: Auch für Spanien stiegen die Anleihezinsen deutlich, von 3,7 auf 6 Prozent. Nunmehr ist Italien ins Visier der Marktkräfte geraten (5,8 Prozent). Damit tritt der Kampf um den Euro in die entscheidende Phase. Denn die Staatsschulden von Italien und Spanien sind 5-mal so hoch wie jene der drei Problemländer.

Diese Entwicklung bedroht die Währungsunion und letztlich das gesamte europäische Projekt aus drei Gründen. Erstens wurden die Zinsen der angegriffenen Länder (diese haben reale Probleme, Spekulation findet nie "abgekoppelt" statt) auf ein Niveau getrieben, bei dem jede Sparpolitik sinnlos wird, weil sie nur mehr die Wirtschaftslage verschlechtert.

Bild: wifo

STEPHAN SCHULMEISTER, 63, ist Ökonom. Seit 1972 beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in Wien tätig, lehrte er als Gastprofessor u. a. in New York. Zuletzt erschien von ihm: "Die neue Weltwirtschaftskrise - Ursachen, Folgen, Gegenstrategien" (AK 2009).

Zweitens werden die Euroländer gegeneinander ausgespielt: Je höher die Zinsen von Griechenland bis Portugal, desto niedriger für Deutschland, Holland und Österreich.

Drittens nützen nationalistisch-populistische Medien und Politiker diese Konflikte, um das Bedürfnis nach Sündenböcken zu befriedigen: An Stelle "der Türken" treten "die Pleitegriechen". Kurz: Wie am Beginn jeder schweren Krise verstärkt sich die Tendenz zu einfachen Erklärungen ("Der Schuldner ist schuld"), zu Symptomkuren (Sparpolitik), zum Bestehen auf nationalen (Zins-)Vorteilen, zur Geringschätzung der anderen/fremden Länder, zur Distanzierung, gerade auch im Geldwesen (Nord-Euro und Süd-Euro) und zur Ableitung der Sorgen und Ängste vieler Menschen auf Sündenböcke.

Lösung: Rettungsfonds wird zum "Europäischen Währungsfonds"

In dieser Lage ist europäisches "leadership" gefordert. Eine erfolgreiche Euro-Verteidigung, die gleichzeitig das europäische Projekt wieder in die Offensive führt, muss vier Anforderungen genügen: Sie muss den europäischen Zusammenhalt stärken, also das Ausspielen der Mitgliedsländer gegeneinander unterbinden. Sie darf einzelne Länder, insbesondere Deutschland, nicht schlechter stellen. Sie muss unternehmerisches Handeln (wieder) mehr honorieren als Finanzkunststücke. Sie muss eine Konsolidierung der Staatsfinanzen durch wirtschaftliche Expansion ermöglichen.

Ein konkreter Lösungsansatz sähe so aus: Der Rettungsfonds wird zum "Europäischen Währungsfonds" (EWF) ausgebaut. Dieser stellt den Euroländern Finanzmittel durch Ausgabe von Eurobonds zur Verfügung, garantiert von sämtlichen Mitgliedsländern. Der Zinssatz wird etwas unter der erwarteten (nominellen) Wachstumsrate festgelegt (derzeit auf etwa 3 Prozent).

Die Vergabe der Mittel wird klaren Richtlinien unterworfen. Bereits vor einem Jahr haben die PolitikerInnen das Fundament für den EWF gelegt: Der Rettungsschirm (EFSF) ist nämlich sehr klug konzipiert, sein Ausbau zu einem EWF daher technisch kein Problem: Schon jetzt garantieren alle Euroländer, der Zinssatz der EFSF-Anleihen liegt bei etwa 3 Prozent (kaum höher als jener deutscher Anleihen), eine Ausweitung der Garantien ist nur eine Frage des politischen Willens. Eines aber fehlt: die Setzung eines neuen Ziels, gewissermaßen die Sinnstiftung für den EWF.

Während der ESFS eine Notlösung für arme Sünder war, die der "Rettung" bedürfen, ist der EWF jene Agentur, durch welche die europäische Politik die Finanzierung unserer Staaten organisiert, statt dies dem Spiel von Finanzakrobaten zu überlassen. Dann ist auch das "Bail-out-Verbot" kein Hindernis, es wird ja nicht gerettet, sondern gestaltet. Auf dass der Primat der Politik über den Markt nicht Phrase bleibe.

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4 Kommentare

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  • B
    Blitzgewitter

    Die Frage ist nicht, was in der Vergangenheit alles falsch gelaufen ist, sondern was uns ein geeintes Europa wert ist. Wir Deutsche haben am allermeisten vom Euro profitiert, indem wir soviel Waren exportiert haben, wie nie zuvor. Dabei haben wir mit diesem ungeheuren Leistungsbilanzüberschuss und auch mit unserem Lohn- und Sozialdumping zu den Schuldenlasten unserer EU- Partner mit beigetragen. Herr Schulmeister rügt zu Recht das fiese Spiel der globalen Investmentbanken und ihrer Spießgesellen, der korrupten amerikanischen Ratingagenturen gegenüber bestimmten europäischen Staaten. Da wird auf Pleite von Staaten gewettet, dass die Schwarte kracht, und man tut dann natürlich alles, um diese Wetten zu gewinnen. In dieser Situation ist wohl die Einführung europäischer Staatsanleihen (Eurobonds)alternativlos (um dieses schöne Wort nicht zu vergessen)! Deutschland zahlt dann natürlich höhere Zinsen, aber die Spekulation wird unterbunden! Wie gesagt, was ist uns Europa wert? Diese Frage müssen unsere Politiker durch kluges Handeln nun zügig beantworten.

  • HN
    HANS NIX

    Mir gefällt die Analyse, allerdings verkennt Schulmeister, dass die EU durchaus ein aggressives Ranking von Stark nach Schwach in sich trägt, auch wenn ihre Beschlüsse durch schwerfällige Ministerräte gehen. Und die starken Länder haben auf die teilweise exorbitanten Steuerpolitiken (Irland) oder Ausgabepolitiken (Griechenland) reagiert. Dabei steht das Gemeinwohl oder das Wohl der EU oder des einzelnen Mitgliedslands nicht im Fokus, sondern es geht um Macht und dann um Profite.

     

    Und selbst an Griechenland verdienen einige Akteure sehr gut und noch besser sie schieben die Risiken ja gekonnt zu einem anonymen Dritten, dem Durchschnittsbürger in der EU und so läuft die Sache viel zu gut und deswegen wird nicht mal diese Veröffentlichung irgendeinen der Verantwortlichen überhaupt interessieren.

     

    Und in einer Sache will ich widersprechen: Der EURO ist keine Notwendigkeit und seine positiven Wirkungen sind viel kleiner als vor der Einführung dargestellt. Es ist weder ein großer Wachstumsmotor gewesen, noch hat er zu mehr Beschäftigung geführt, dafür hat er eben jedes EURO-Land in eine finanz- und wirtschaftspolitische Schicksalsgemeinschaft integriert.

     

    Die Risiken dieser Gemeinschaft zahlt momentan ausschließlich der Bürger meist mit seinen Steuern, in Griechenland aber ist das Spiel schon weiter, dort zahlt der Normalgrieche tatsächlich täglich und mit seinem ganzen Leben, mit seiner Zukunft.

     

    Und anstatt eine gewisse Solidarität mit diesen Griechen zu empfinden, werden sie tatsächlich zu Sündenböcken erklärt und denunziert. Und diese 8medialen) Spaltungskampagnen lenken hervorragend davon ab, dass das Leid der Griechen seinen Ursprung in einer vollkommen verfehlten Währungs- und Wirtschaftsunion Europas hat. Und da hat auch Deutschland kräftig mitgemischt. Diese Krise ist kein Naturprodukt oder eine unglückliche Verkettung von Umständen, sondern ein direktes Ergebnis von einer Wirtschaftspolitik, über die der EU-Bürger nie abgestimmt hat.

  • A
    A.Grech

    "Dann ist auch das "Bail-out-Verbot" kein Hindernis, es wird ja nicht gerettet, sondern gestaltet."

     

    Nett gesagt, aber viele Leser mögen es nicht so gerne, durch den Kakao gezogen zu werden.

     

    Ein Wirtschaftswissenschaftler wie Herr Schulmeister sollte schon in der Lage sein, nicht nur die Chancen, sondern auch die Kosten und Risiken seiner Vorschläge darzulegen. Wenn er es nicht tut, fragt man sich natürlich, warum?

  • E
    EuroTanic

    Weiter kann man von der Realität nicht entfernt sein. Die Anleihezinsen waren gleich hoch obwohl die Volkswirtschaften nicht annähernd die gleichen Produktivitäten aufwiesen. Sie waren somit künstlich durch einen Eurobonus, der eigentlich ein Deutschlandbonus war, niveliert. Wenn ein Land so konkurrenzlos schlecht wirtschaftet wie Griechenland (oder andere) und seit einem Jahrzehnt mehr Geld ausgibt als einnimmt (Gründe lasse ich mal aussen vor) dann ist es zu Recht bankrot. Deutschland ist eigentlich auch bankrott, es kommt nur später dran. Amerika ist auch bankrott.

    Wenn man spart wie es von den Griechen verlangt wird wird der Konsum unterdrückt, ein Wachstum ist nie möglich.

    Die Länder werden nicht gegeneinander ausgespielt, die Länder sind verschieden. Die gewünschte Gleichmacherrei der EUliten gleicht dem des Kommunismus, und so wird auch die EU scheitern, weil Menschen in verschiedenen Kulturen verschieden sind. Und das ist gut so.

    Nicht die radikalen Parteien haben diese Spaltung verursacht, sondern unsere Politiker mit ihrer verantwortungslosen Scheckbuchpolitik.

    Ein europäischer Rettungsfon ist damit die konsequente weiterentwicklung dieses Diebstahls an privatem Eigentum. Man nimmt mit diesem (euphemistischen) "Fond" privaten Menschen ihr Eigentum weg und gibt es anderen Menschen. Das ist Diebstahl und rechtswiedrig. Da helfen auch die Wortverdrehungen wie "gestalten, nicht retten" nicht mehr. Dieser Beitrag ist mit den Parolen der Wochenschau im Dritten Reich vergleichbar. Schwarz ist weiss, und Krieg ist Frieden. Lasst uns umkehren.