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Kommentar Dutschke-StraßeEin Schlusspunkt von 1968

Peter Unfried
Kommentar von Peter Unfried

Die endgültige Entscheidung des Berliner Oberlandesgerichts für die Rudi-Dutschke-Straße ehrt Rudi Dutschke - und eine gesellschaftliche Bewegung: 1968.

Bild: marco limberg

Peter Unfried ist stellvertretender Chefredakteur der taz.

Die Rudi-Dutschke-Straße ist da. Mit der endgültigen Entscheidung des Berliner Oberlandesgerichts wird nicht nur der Weg frei, Rudi Dutschke als Person zu würdigen. Diese Ehrung gilt auch einer gesellschaftlichen Bewegung, die Deutschland in den letzten vierzig Jahren positiv verändert hat. Dass es genau 40 Jahre gedauert hat vom Attentat bis zur Würdigung, zeigt, wie schwer man sich in diesem Land mit der Historisierung von 1968 und seinen Folgen getan hat.

Als führender Denker und Sprecher der außerparlamentarischen Opposition war Dutschke ein zentraler Akteur der Aufbruchsbewegung von 1968. Das Attentat durch einen aufgehetzten Bild-Leser hat ihm eine singuläre Bedeutung verliehen. Darüber hinaus steht Dutschke, der einst in der DDR aufwuchs, mit seinem Werdegang auch für die biografische Entwicklung eines Teils der westdeutschen Gesellschaft, die diese in den Siebzigerjahren bis hin zur Entdeckung der ökologischen Frage führte.

Sicherlich ist es historisch gerecht, dass sich die Bild-Zeitung, die gerade erst nach Berlin gezogen ist, samt Axel Springer AG nun an der Dutschke-Straße wiederfindet. Sicherlich ist es von hoher Symbolik, dass die große, schöne Dutschke-Straße Vorfahrt hat: Es symbolisiert die Vorfahrt gesellschaftlicher Bewegungen vor den ökonomisch fixierten Interessen von Wirtschaftsunternehmen. Dennoch ist das allenfalls eine feine, aber kleine Nebenpointe der Geschichte.

Man muss ernst nehmen, was ein anderer großer europäischer 1968er gesagt hat: Die Dutschke-Straße materialisiere, "dass 1968 vorbei ist", meint Daniel Cohn-Bendit. Das heißt nicht, dass 1968 schlecht war. Nur dass 2008 der wirklich letzte Jahrestag gewesen sein sollte, an dem die Debatten der Vergangenheit derart raumgreifend diskutiert wurden. Genug, weg damit!

Längst geht es um die globalen Auseinandersetzungen der Zukunft, die nicht ohne das Engagement des Einzelnen und die postideologische Vernetzung heterogener gesellschaftlicher und sozialer Gruppen zu lösen sind. Um es optimistisch-lapidar zu sagen: Es braucht eine Weltbewegung. Dass so etwas denkbar sein darf, auch dafür steht die Rudi-Dutschke-Straße.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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1 Kommentar

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  • JB
    Jürgen Bischoff

    Schön. Ihr/euer stellvertretender Chefredakteur habt gewonnen. Jetzt lasst gut sein und kommt nicht noch mit dick aufgetragenen geschichtlichen Überhöhungen ("Schlusspunkt..." bla, bla, bla) daher.