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Kommentar „Drogenkrieg“ in MexikoKapitalismus weitergedreht

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Mit einem „Drogenkrieg“ haben die vielen Toten in Mexiko nichts mehr zu tun. Die Ziele der Kartelle sind die gleichen wie die großer internationaler Konzerne.

E igentlich ist das doch gar keine Nachricht: „49 Leichen mit abgehackten Köpfen und Händen von Lastwagen geworfen.“ Jedenfalls dann nicht, wenn sie aus Mexiko kommt. Wir haben uns längst daran gewöhnt, so hoch ist die Frequenz derartiger Meldungen nach über 50.000 Toten in den letzten sechs Jahren.

Mit einem „Drogenkrieg“ hat das längst nichts mehr zu tun, auch wenn der Drogenhandel noch immer eine wesentliche Rolle im Geschäftsportfolio der Kartelle spielt. In Wirklichkeit ist das ein Krieg um wirtschaftliche Macht außerhalb der Legalität, um Kontrolle über das bisschen Staat, was in manchen mexikanischen Bundesstaaten noch übrig ist, Kontrolle über Geschäftsfelder, die ohne organisiertes staatliches Wegsehen nicht zu betreiben wären.

Letztlich versuchen die Kartelle mit ihre Morden nichts anderes zu erreichen als andere große, insbesondere multinationale Konzerne: Sie wollen ihr Geschäftsgebaren Eingriffen der öffentlichen Ordnung entziehen, um ihren Profit zu mehren.

Bild: taz
BERND PICKERT

ist Redakteur im Auslandsressort der taz und zuständig für die Amerika-Berichterstattung.

Ernsthafte Vorschläge, wie dieser Krieg noch einzudämmen sei, hat kaum jemand, auch im mexikanischen Wahlkampf nicht. Es fehlt an einer grundlegenden Reform von Polizei und Justiz, einer Säuberung der Politik und Verwaltung vom Einfluss der Kartelle, an einer Steuerfahndung, die diesen Namen verdient. Aber um das zu bewerkstelligen, bräuchte es einen Staat, der so stark wäre, wie er überhaupt erst wieder werden müsste. Es ist ein Teufelskreis.

Der antiregulatorische Wirtschaftsdiskurs tut dabei ein Übriges. Wo Bergbaukonzerne ständig die Grenzen der Legalität überschreiten, um umwelt- und sozialzerstörerische Projekte in Lateinamerika durchzusetzen, gehen die Kartelle lediglich einen Schritt weiter. Der Unterschied, gemessen in Todeszahlen, ist riesig, in der ideologischen Grundlage hingegen graduell. Oder, in Abwandlung eines alten Antifa-Slogans: Wer vom Kapitalismus nicht reden will, der soll auch vom „Drogenkrieg“ schweigen.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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  • R
    Realitätssinn

    @ tommy:

     

    Mit Verlaub - Sie sind naiv. Kokainsucht ist mitnichten nur in reicheren Gesellschaftsschichten verbreitet - warum auch?

     

    Konsument_innen wegsperren heilt übrigens keine Drogensucht - auch das ist naiv, zu glauben.

     

    Und das deutsche Knäste Orte der Sucht- und Drogenfreiheit seien, ist ein gern geglaubter, nichts desto trotz schon immer falscher Mythos - vgl. z. B. hier:

     

    http://www.zeit.de/2012/34/DOS-Gefaengnisse-Deutschland-Gewalt

  • T
    tommy

    @Kommentator:

     

    Ich glaube, bei den Drogenkartellen geht es nicht so sehr um Marihuana, sondern um härteres Zeug wie Koks. Marihuana halte ich auch zwar für bedenklich (weil es auf Dauer dumm macht), kann man aber von mir aus legalisieren...aber wieso sollte man das bei Koks und ähnlichem Zeugs tun?

  • T
    tommy

    @Stimmvieh:

     

    Klar ist das mein Ernst; es ist doch ganz logisch: Ohne die Nachfrage bräche die Macht der Drogenkartelle ganz schnell zusammen (ok, die würden dann vielleicht was anderes im kriminellen Bereich machen, aber wohl nicht mit solch schrecklichen Folgen). Und viele Konsumenten sind nicht etwa "abhängig", sondern einfach nur wohlstandsdekadente Hedonisten, denen die Folgen ihres Konsums scheißegal sind...komisch, bei anderen Fragen sehen taz-Linke doch auch immer Konsumenten in den reichen Ländern als verantwortlich für das Elend in der 3. Welt an, wieso nicht bei den Drogen? Vielleicht weil so viele taz-ler und -leser selber Drogen nehmen (so wie ja wahrscheinlich der halbe Bundestag, der deshalb auch niemals etwas gegen dieses "Vergnügen" unternehmen wird)?

  • S
    Stimmvieh

    "wer kokst, sollte für die nächsten Jahrzehnte in den Knast wandern!"

     

    Das ist doch bitte nicht Ihr Ernst?! Die schreckliche Situation in Mexiko ist doch eine der Folgen genau solcher verfehlter Politik. Der "Krieg gegen die Drogen" ist katastrophal gescheitert, und unsere Weigerung uns das einzugestehen fordert Tag für Tag in Mexiko und auch in anderen Ländern ihren Preis in Blut und Menschenleben.

    Und Abhängige weg zu sperren löst das Problem nicht, sondern deckt es nur zu, frei nach dem Motto: "Aus den Augen, aus dem Sinn"

     

    Eine Studie, die das Land Hessen in den '90ern durchgeführt hat, hat gezeigt, dass die damalige - und heutige - Drogenpolitik Deutschland seinerzeit 13 Milliarden D-Mark im Jahr gekostet hat (also ca. 6,5 Milliarden Euro), von denen weniger als ein halbes Prozent in Prävention und Therapieangebote gewandert ist. An der Stelle sollte man vielleicht mal ansetzen anstatt stumpf nach härteren Strafen zu schreien.

  • K
    Kommentator

    "...wer kokst, sollte für die nächsten Jahrzehnte in den Knast wandern!"

     

    Dann bin mal gespannt, wieviel Prozent unserer Eliten noch übrig bleiben. Drogenkrieg in Deutschland? Nein Danke!

     

    Es geht nicht anders, als den Konsum von Drogen, vor allem Marihuana, aus der Kriminalität herauszuholen. Das Abendland wird dabei nicht untergehen, denn konsumiert wird auch wenn es verboten ist, wie man sieht. Erwachsene sollten über Ihren Konsum selbst entscheiden können, und Jugendliche müssen geschützt werden, bis sie den selbstverantwortlichen Umgang gelernt haben.

  • M
    Moke

    Bullshit. Drogenkrieg, Justizreform und Modernisierung der Polizeikräfte sind allgegenwärtige Themen im Wahlkampf, innerhalb der Beraterkreise von PRI, PAN und PRD sowie vorvergangene Woche in der Fernsehdiskussion der Kandidaten. Der Vergleich von Narcos und multinationalen Konzernen ist ebenso anti-intellektuell wie gefühlskalt gegenüber den Opfern der kriminellen Organisationen. Pickert rechnet Tote gegen Ideologie auf--und stellt sich an die Spitze der Gegenäufklärung.

  • M
    menschenfreund

    ..."Letztlich versuchen die Kartelle mit ihre Morden nichts anderes zu erreichen als andere große, insbesondere multinationale Konzerne: Sie wollen ihr Geschäftsgebaren Eingriffen der öffentlichen Ordnung entziehen, um ihren Profit zu mehren"...

    Richtig. Man schaue sich z.B. einmal Monsanto und Konzerne mit vergleichbaren "Geschäftsfeldern" an.

  • T
    tommy

    Kommt nur davon, weil Drogenkonsum in westlichen Ländern unter dekadenten Mittel- und Oberschichtlern so weit verbreitet ist...man muss den Markt austrocknen...wer kokst, sollte für die nächsten Jahrzehnte in den Knast wandern!