Kommentar Diskriminierung: Christliche Parallelgesellschaften

Der Fall der in Hamburg diskriminierten Muslima zeigt, dass es für das Zusammenleben in einer pluralistischen und zunehmend multikulturellen Gesellschaft neue Regeln braucht, die für alle gelten.

Was, wenn ein muslimischer Verband in Deutschland sich weigern würde, eine Putzfrau zu beschäftigen, nur weil sie christlichen oder jüdischen Glaubens ist? Was, wenn er von ihr verlangen würde, erst einmal zum Islam zu konvertieren, um ihre Chancen auf eine Anstellung zu erhöhen? Ein Sturm der Entrüstung wäre diesem Verein sicher, und er hätte Mühe, sich der Vorwürfe zu erwehren, von denen der Vorwurf der Diskriminierung sicherlich noch der geringste wäre.

Genauso hat sich das Diakonische Werk in Hamburg verhalten, als es eine Bewerberin gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch lud, weil es sich dabei um eine Muslima handelte - und ihr tatsächlich nahe legte, in die katholische Kirche einzutreten. Ein klarer Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz, urteilte ein Arbeitsgericht korrekt. Empört darüber zeigen sich jetzt allerdings die Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen, sie laufen gegen die Entscheidung Sturm. Sie fürchten um ihr Privileg, ihre Mitarbeiter nach Konfessionszugehörigkeit auswählen zu dürfen.

Der Fall zeigt, dass es für das Zusammenleben in einer pluralistischen und zunehmend multikulturellen Gesellschaft neue Regeln braucht, die für alle gelten. Keine Frage, dass dieses Thema die Gesellschaft noch lange beschäftigen wird, weil es an althergebrachte Vorrechte rührt. Nun erwartet niemand, dass die katholische Kirche jemanden als Lehrer oder Seelsorger einstellt, der nicht ihr Weltbild oder die Grundsätze ihres Glaubens teilt. Seltsam wäre es auch, von einer muslimischen Gemeinde zu verlangen, dass sie als Imam ausgerechnet einen Christen oder Atheisten einstellt.

Darüber hinaus sollte es religiösen Gruppen und Organisationen aber nicht erlaubt sein, auch ihre Bürokräfte, Projektleiter und Putzhilfen strikt nach religiöser Zugehörigkeit auszuwählen und sich auf diese Weise in den Grenzen der eigenen Gemeinschaft abzuschotten. Dieses Privileg der Kirchen war schon immer fragwürdig - heute ist es schlicht nicht mehr zeitgemäß. Denn damit trägt der Staat nur dazu bei, das Wuchern religiöser Parallelgesellschaften zu befördern.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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