Kommentar Deutschland und Libyen: Die Stunde der Selbstgerechten

Nicht Westerwelle allein, nein, die gesamte deutsche Politik war damals angesichts der Ereignisse in Libyen überfordert. Und das gilt auch für Claudia Roth von den Grünen.

Wie ist das schön, jetzt aber so richtig recht zu haben. Als "desaströs" geißelt Grünen-Chefin Claudia Roth die deutsche Libyen-Politik. Überhaupt sind jetzt, passend zum Sieg der Rebellen und der Nato in Tripolis, ganz viele der Ansicht, Deutschland habe sich mit seiner Enthaltung im UN-Sicherheitsrat im März blamiert, sogar von "Schande" ist die Rede.

Doch sollten manche Politiker, die jetzt so tun, als ob ein "Ja" Deutschlands im Sicherheitsrat im März die einzig richtige Option gewesen wäre, besser noch einmal nachschlagen, was sie selbst im März gesagt haben. Damals warnte etwa Claudia Roth noch davor, die Einrichtung einer Flugverbotszone könne zu zivilen Opfern führen. Nicht von ungefähr mahnte auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag: "Wir sollten uns alle miteinander in Demut üben."

Dazu gibt es auch jetzt noch allen Grund. Denn nicht Westerwelle allein, nein, die gesamte deutsche Politik war damals angesichts der Ereignisse in Libyen überfordert. Bedauerlich, aber eben ein typisches Zeugnis deutscher Unbedarftheit im Ausland. Die Bundesregierung gab dieser Ratlosigkeit mit ihrer Enthaltung zur Resolution 1973 nur einen angemessenen Ausdruck.

Die Art und Weise, wie die am Militäreinsatz beteiligten Nato-Partner die ursprünglich formulierten Ziele immer mehr ausgedehnt und überzogen haben, gab der Bundesregierung zudem recht. Die Resolution war bewusst unscharf formuliert. Ziemlich sicher aber bietet sie keine Grundlage dafür, das Regime zu stürzen und nun sogar mit Spezialkräften nach Gaddafi zu jagen. Nein, da muss die Bundeswehr nicht dabei sein. Und hätte der von der Nato flankierte Feldzug der Rebellen nicht diese plötzliche günstige Wendung genommen, sähen das viele, die nun laut "Skandal" rufen, sicherlich ähnlich.

Peinlich allerdings ist, wenn Westerwelle jetzt so tut, als hätten in Wirklichkeit die deutschen Wirtschaftssanktionen Gaddafi in die Knie gezwungen. Wenn in Tripolis das Ende der Diktatur gefeiert wird, darf sich Deutschland in der Tat nicht hinter Sarkozy aufs Siegertreppchen drängeln. Der wird da ohnehin wenig Platz lassen. Dann steht Deutschland eben mal in der zweiten Reihe - neben allen anderen, die die Risiken zu Beginn anders eingeschätzt haben. Eine "Schande" oder ein "Desaster" ist das nicht.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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