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Kommentar Deutsche NationalmannschaftDen Druck müssen sie jetzt aushalten

Kommentar von Markus Völker

Der deutsche Fußball ist auf dem konjunkturellen Höhepunkt. Die Fallhöhe für die Spieler ist also hoch.

D ie DFB-Elf hat noch keine einzige EM-Partie gespielt und doch ist ihr schon ein Titel sicher: der des virtuellen Europameisters. Nie waren die Erwartungen im Lande größer. Denn der deutsche Fußball befindet sich auf dem konjunkturellen Höhepunkt. Deutschland ist der Maßstab. Das ist neu. Das ist aufregend. Und das ist gefährlich.

Das Team spielt einen Fußball, von dem die Fans immer geträumt haben: schnell, gefährlich und spektakulär. Es geht nicht mehr nur darum, sich mit den Großen des Fußballs zu messen. Es geht darum, gegen sie zu bestehen. Die spielerischen Mittel hat die Nationalelf, keine Frage, aber kann sie mit dem Druck umgehen, der nun auf ihr lastet? „Die Republik glaubt an uns“, verkündet Kapitän Philipp Lahm. „Wir wollen das Ding gewinnen, aber wir müssen gut starten, damit der Druck, den wir uns selber machen, von uns abfällt“, hat Torwart Manuel Neuer gesagt.

Sie wissen um die historische Mission. Und sie wissen um die Gefahr des Scheiterns. Schon in der Vorrunde könnte es passieren, Holland und Portugal sind mächtige Gegner. Aber wer zeigen will, dass er nicht mehr nur Mitläufer, sondern Taktgeber ist, muss diese Brocken aus dem Weg schnipsen. Große Mannschaften beweisen sich in großen Turnieren. Nur große Mannschaften gewinnen sie auch.

Bild: taz
MARKUS VÖLKER

ist Sportredakteur der taz und während der EM in Polen und mit dem deutschen Team unterwegs.

Bundestrainer Joachim Löw spricht von der Last der guten Tat. Die Fallhöhe sei hoch, aber seine Spieler seien schwindelfrei, sagt er. Die guten Taten hat Löw selber vollbracht. Er hat aus einem Team, das sich meist nur mit dem Titel „Turniermannschaft“ schmücken konnte, was für Ausdauer, Zähigkeit und oft auch Rumpelfußball stand, etwas geformt, das es nur im Ausland zu geben schien: Plötzlich trugen technisch versierte Kicker den Adler auf der Brust, sie zeigten schnellen Kombinationsfußball und brauchten nicht mehr drei Sekunden, um den Ball weiterzupassen, sondern nur noch eine. Die Fans dankten es dem Team mit Emotionen.

Verglichen mit heute war die mentale Belastung vor der WM 2010 winzig. Die junge Mannschaft startete relativ unbeschwert in dieses Turnier. Diese Gelassenheit gipfelte in bisweilen rauschhaften Zuständen auf dem Platz. Zwei Jahre sind seitdem vergangen, in denen das Team noch einmal gereift ist und sich nach Aussage aller Spieler und Trainer verbessert hat.

Sie sind nicht vorsichtig und zögerlich, nein, sie spielen ganz bewusst mit den Muskeln, weil sie sich stark fühlen. Diese EM ist eine EM mit Titelansage. Das kann ins fußballerische Himmelreich führen. Oder ins Verderben.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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3 Kommentare

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  • T
    tommy

    Ich hab kein Mitleid mit diesen Nationalkickern, die angeblich so unter Druck stehen. Man muss sich immer vor Augen halten: Das sind erwachsene Männer, die fürstlich dafür bezahlt werden, einen Ball herumzuschießen (was für Deutschlands Zukunft komplett irrelevant ist). Und das in Zeiten, in denen auch studierte Akademiker oft in schlecht bezahlten und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen gefangen sind, ganz zu schweigen von den miesen Arbeitsbedingungen im Pflegebereich und anderen Berufen.

     

    Was mich am meisten stört, ist, dass die Nationalspieler, wenn sie gewinnen, als "Helden" gefeiert werden (für ein bißchen Gekicke; seine Afghanistan-Veteranen ignoriert Deutschland hingegen); wenn sie aber verlieren (wie allzuoft), gibt es für die Loser keine echte Strafe, wie dies im Sinne von Leistungsgerechtigkeit angebracht wäre.

     

    Dabei gibt es genug historische Beispiele, die hier Vorbild sein könnten: das Prinzip der römischen "decimatio", die Ballspiele der Maya (Opferung der Verlierer an die Götter) oder in jüngerer Zeit die Maßnahmen, die Uday Hussein gegenüber der irakischen Fußballnationalmannschaft vollzogen hat, wenn sie verloren hatte.

  • C
    Chris

    Oh Gott, geht es noch pathetischer?

    Historische Mission? Hallo? Ins Himmelreich oder

    ins Verderben? Amen. Wusste gar nicht, dass die taz neuerdings mit der katholischen Kirche kooperiert. Der übermenschliche Druck, Hilfe! Nun mal realistisch bleiben: Das sind 22 Leute die überall in Europa

    für sehr viel Geld Fussball spielen. Also ganz ruhig und die Kirche im Dorf lassen.

    Ach übrigens, gute Nachrichten für Herrn Völker: Die Bayernspieler sind nach der Championsleague-Pleite aus unglaublicher FALLHÖHE und TIEFSTEM VERDERBEN nicht gestorben, oh Wunder, sie spielen nur 4 Wochen später schon wieder eine EM.

  • DC
    Dieter Carstensen

    Man sollte nicht vergessen, dass alle Spieler, welche der DFB Elf angehören, Einkommensmillionäre sind.

     

    Da kann man doch wohl ein wenig Leistung für erwarten, oder?

     

    Menschen in diesem Land, die für deutlich unter 10 Euro malochen müssen, was sollen die denn über das Gejammer der Fussballmillionäre denken, dass sie nun "unter Druck stehen"?

     

    Die meisten unterbezahlten kleinen Verkäuferinnen in unserem Land stehen an ihren Arbeitsplätzen mehr unter Druck durch ihre Firmen, als unsere überbezahlten Ballspieler!