Kommentar Deutsche-Bank-Chef Jain: Die falsche Person am falschen Ort
Bankchef Anshu Jain kann nur scheitern. Er kommt aus dem Investmentbanking und ausgerechnet diese Sparte müsste die Bank nun abstoßen.
D ie Deutsche Bank befindet sich in einer bizarren Lage. Ihr Co-Chef Anshu Jain ist bei den Aktionären derartig umstritten, dass er auf der Hauptversammlung am Donnerstag mit nur knapp 61 Prozent entlastet wurde. Gleichzeitig ist Jain jetzt aber mächtiger als je zuvor, weil er künftig auch noch das Strategieressort verantworten wird. Die widersprüchliche Botschaft lautet also: Jain wird nicht mehr vertraut, aber er soll beweisen, dass er die Deutsche Bank profitabler machen kann.
Doch Jain kann nur scheitern. Er ist die falsche Person am falschen Ort. Denn die Deutsche Bank ist durch ihr Investmentbanking in die Krise geraten – und für diesen Geschäftszweig steht Jain wie kein anderer. Seit 1985 ist er Investmentbanker, seit 1995 bei der Deutschen Bank in London.
Diese Daten sind mehr als nur biographische Angaben. Jain gehört zu jener Generation von Bankern, die davon profitiert haben, dass es zwischen 1980 und 2007 an den Finanzmärkten permanent aufwärts ging. Zwischendurch kam es zwar zu kleinen Krisen, aber am Trend änderte sich nichts: Es wurde eine gigantische Finanzblase aufgepumpt. Da die Investmentbanker an der Quelle dieses Geldstroms saßen, konnten sie Milliarden für sich selbst abzweigen. Mit Leistung hatte dies nichts zu tun.
Diese bequeme Zeit der Selbstbereicherung ist jedoch vorbei. Die Finanzkrise ab 2007 war mehr als nur ein Wirtschaftseinbruch. Sie markiert eine Zäsur. Zwar gibt es noch immer Investmentbanking, aber das Geschäft ist deutlich geschrumpft.
Das Pech, in Deutschland zu sitzen
Manche Tricks funktionieren gar nicht mehr. Selbst Trottel wären derzeit nicht bereit, Verbriefungen von windigen Hypotheken zu kaufen. Zudem ist die Aufsicht schärfer geworden, und auch das verlangte Eigenkapital steigt.
Manche Banken stoßen daher ihr Investmentbanking ab – wie etwa die Schweizer UBS. Jain hatte ursprünglich gehofft, dass er diese Marktanteile übernehmen könnte, doch stattdessen ging die Deutsche Bank leer aus.
Dies hat auch strukturelle Gründe. Böse formuliert: Die Deutsche Bank hat das Pech, in Deutschland zu sitzen. Das normale Bankgeschäft wird hier von Sparkassen und Genossenschaften dominiert, und für das Investmentbanking fehlt das Volumen. Deutschland ist keine gigantische Steueroase wie London mitsamt den britischen Krongebieten, und anders als in den USA ist die gesetzliche Rentenkasse hier noch halbwegs intakt. In den Vereinigten Staaten hat man vor allem auf kapitalgedeckte Pensionsfonds gesetzt – und erst diese Milliardensummen haben die Wall Street groß gemacht.
Was für die UBS richtig war, wäre es auch für die Deutsche Bank: Sie sollte ihr Investmentbanking schrumpfen. Doch dafür ist Jain der falsche Mann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin