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Kommentar DemjanjukKeine Rache, sondern Aufklärung

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Ist es ein Zeichen irdischer Gerechtigkeit, wenn dem 89 Jahre alten mutmaßlichen NS-Schergen Demjanjuk der Prozess gemacht wird? Ja, es ist.

Eine Wiederholungsgefahr besteht nicht. Der Täter ist 89 Jahre alt. John Demjanjuk, so viel steht fest, hat sich in den vergangenen 65 Jahren nichts Erhebliches zuschulden kommen lassen. Er lebte bis zum Montag als Rentner in Cleveland, Ohio. Von den Vorwürfen einer Mitwirkung an Naziverbrechen wurde er vor zehn Jahren schon einmal freigesprochen - freilich in anderen Zusammenhängen.

Macht es da einen Sinn, wenn dieser Greis, wie gestern geschehen, gegen seinen Willen in ein Flugzeug getragen und nach München abgeschoben wird, wo ihm umgehend der Haftbefehl ausgestellt wurde? Ist es ein Zeichen irdischer Gerechtigkeit, wenn diesem Mann demnächst der Prozess gemacht wird?

Ja, es ist. Die deutsche Justiz wird sich zum allerersten Mal überhaupt mit einem Menschen aus dem Kreis der ausländischen "hilfswilligen" NS-Schergen beschäftigen. Das sind jene, die für die Nazis die Schmutzarbeit leisteten, indem sie die jüdischen Opfer in die Gaskammern trieben. Dass der Haftbefehl erst gestern ausgestellt wurde, ist bedauerlich, taugt aber nicht als Begründung dafür, das Verfahren nicht mehr zu eröffnen. Das Versagen bundesdeutscher Nachkriegsjustiz ist noch lange kein Grund, jetzt, nach 65 Jahren, einen Schlussstrich ziehen zu wollen. Ein Mord ist ein Mord und gehört aufgeklärt - und erst recht ein zehntausendfacher.

Bei dem anstehenden Verfahren gegen John Demjanjuk geht es nicht um Rache, einen Tatbestand, den unser Rechtssystem glücklicherweise nicht kennt. Es geht, zugegebenermaßen, auch nicht mehr um Abschreckung. Denn nach derzeitigem Stand der Zivilisation sind Massenmorde in Mitteleuropa nicht zu erwarten. Es gilt zu betonen: nach derzeitigem Stand. Bleiben zwei Aspekte: Sühne und Aufklärung. Die Opfer und ihre Nachfahren haben ein Recht auf Sühne - und wenn der Mann hundert Jahre alt wäre. Vor allem aber geht es um Aufklärung. Was wirklich im Vernichtungslager Sobibor geschah, was die "hilfswilligen" Ukrainer dort getan haben, weiß allein der mutmaßliche Täter. Insofern könnte ein Prozess auch zu einem Stück juristischer Volksaufklärung im besten Sinne werden. Wenn Demjanjuk aber wirklich schwer krank sein sollte, dann wird ihm der Prozess erspart werden - bedauerlich, aber nicht zu ändern. Allein der Versuch, ihn der Gerechtigkeit zuzuführen, verdient unsere Anerkennung.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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2 Kommentare

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  • S
    Slush

    "Das Versagen bundesdeutscher Nachkriegsjustiz ist noch lange kein Grund, jetzt, nach 65 Jahren, einen Schlussstrich ziehen zu wollen. Ein Mord ist ein Mord und gehört aufgeklärt - und erst recht ein zehntausendfacher."

     

    Absolut wahre Worte!

     

    Es gab im In- und Ausland ja hunderte KZs und sonstige Gefangenenenlager. Das bedeutet, daß tausende von deutschen und ausländischen Helfern daran beteiligt waren Menschen unter unwürdigsten Bedingungen zu Tode kommen zu lassen.

     

    Aber nur ein kleinster Bruchteil dieser Personen konnte juristisch Belangt werden, was es um so nötiger macht bis heute eine Strafverfolgung durchzusetzten!

     

    Wo sind sie denn, die tausenden Helfer mit Blut an den Händen? Unsere Väter, Großväter, Onkel...

     

    Jaja, sie haben ja nur Befehle ausgeführt, ich vergas... (Hust, hust)

     

    In der Schule wurde einem beigebracht, daß in Nürnberg den Nazis der Prozess gemacht wurde und damit war alles vergeben und vergessen und die Deutschen lebten glücklich und zufrieden in ihrem Wirtschaftswunder bis sie dick und fett wurden...

     

    Mittlerweile ist man aufgeklärter, aber wenn einem wirklich bewusst wird, wie wenige der damaligen Täter wirklich bestraft worden sind und wie viele es aber in Wirklichkeit gewesen sein müssen, kann man nur ungläubig resignieren.

     

     

    Aus heutiger Sicht ist es unvorstellbar, was damals vor sich gegangen ist und die Tatsache, daß es immer noch Menschen gibt, die diese Verbrechen anzweifeln und sogar im Ausland ungestraft öffentlich leugnen, zeigt doch wie nötig eine Aufarbeitung dieses Themas immer noch ist.

  • S
    Slush

    "Das Versagen bundesdeutscher Nachkriegsjustiz ist noch lange kein Grund, jetzt, nach 65 Jahren, einen Schlussstrich ziehen zu wollen. Ein Mord ist ein Mord und gehört aufgeklärt - und erst recht ein zehntausendfacher."

     

    Absolut wahre Worte!

     

    Es gab im In- und Ausland ja hunderte KZs und sonstige Gefangenenenlager. Das bedeutet, daß tausende von deutschen und ausländischen Helfern daran beteiligt waren Menschen unter unwürdigsten Bedingungen zu Tode kommen zu lassen.

     

    Aber nur ein kleinster Bruchteil dieser Personen konnte juristisch Belangt werden, was es um so nötiger macht bis heute eine Strafverfolgung durchzusetzten!

     

    Wo sind sie denn, die tausenden Helfer mit Blut an den Händen? Unsere Väter, Großväter, Onkel...

     

    Jaja, sie haben ja nur Befehle ausgeführt, ich vergas... (Hust, hust)

     

    In der Schule wurde einem beigebracht, daß in Nürnberg den Nazis der Prozess gemacht wurde und damit war alles vergeben und vergessen und die Deutschen lebten glücklich und zufrieden in ihrem Wirtschaftswunder bis sie dick und fett wurden...

     

    Mittlerweile ist man aufgeklärter, aber wenn einem wirklich bewusst wird, wie wenige der damaligen Täter wirklich bestraft worden sind und wie viele es aber in Wirklichkeit gewesen sein müssen, kann man nur ungläubig resignieren.

     

     

    Aus heutiger Sicht ist es unvorstellbar, was damals vor sich gegangen ist und die Tatsache, daß es immer noch Menschen gibt, die diese Verbrechen anzweifeln und sogar im Ausland ungestraft öffentlich leugnen, zeigt doch wie nötig eine Aufarbeitung dieses Themas immer noch ist.