Kommentar Commonwealth-Spiele: Delhis große Blamage
Verzögerungen, Baumängel, Korruption: Die Liste der Fehler ist lang. Indien scheint mit dem Megaevent an der Inkompetenz der Verantwortlichen zu scheitern.
N och ist nicht entschieden, welcher Schaden schwerer wiegt: Wenn Indien die Commonwealth-Spiele in Delhi jetzt doch noch, kurz vor der geplanten Eröffnung am 3. Oktober, absagt. Oder wenn die Sportler aus aller Welt zwölf Tage lang unter den miserablen Bedingungen antreten müssen, die allseits beklagt werden.
Sicher ist dagegen jetzt schon, dass sich das aufstrebende Indien mit diesem sportliche Großspektakel verhoben hat: Statt des erhofften Prestigegewinns hat es sich eine internationale Blamage eingehandelt. "Indiens Schande" nannte dies die größte Zeitung des Landes.
Verzögerungen und Baumängel, Dreck und Gesundheitsgefahren, Korruption und explodierte Kosten sowie Sicherheitsrisiken drohen das Sportfest der 72 Nationen in ein Desaster zu verwandeln. Jetzt sollen Sondersitzungen von Offiziellen sowie Sondereinsätze von Putz- und Baukolonnen retten, was noch zu retten ist.
Sven Hansen ist Auslandsredakteur der taz.
Die Blamage fällt noch größer aus, weil das indische Organisationsteam zuvor großspurig "die besten Commonwealth-Spiele aller Zeiten" versprochen hatte und die Olympischen Spiele in Peking 2008 in den Schatten stellen wollte. Stattdessen zeigen die massiven Probleme jetzt nicht nur, dass Indien längst noch nicht so weit ist wie der große Rivale China.
Der Fall weist auch deutliche Parallelen auf zu den typischen Problemen, mit denen viele andere große Infrastrukturprojekte in Indien zu kämpfen haben. Nur ganz selten werden da Zeit- und Kostenpläne oder Qualitätsstandards eingehalten, und oft offenbart sich eine erschreckende Inkompetenz auf Seiten der Verantwortlichen.
Über den Sinn und Zweck solcher Megaereignisse lässt sich ohnehin trefflich streiten - erst recht in einem Land mit so viel Armut wie Indien. Doch wenn die Entscheidung für so ein Megaevent gefallen ist, sollte es nicht schon wegen des Schlendrians großspuriger Verantwortlicher und deren mangelnden Problembewusstseins zur Fehlinvestition werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen