Kommentar Christliche Fundamentalisten: Kotau vor Christen-Fundis
Es ist unfassbar, dass die Bundeszentrale vor den evangelikalen Verbänden einknickt. Damit werden die Antidemokraten unter den Christen nur ermuntert, ihren Einfluss auszubauen.
K ann man Evangelikale und Islamisten vergleichen? Unter Fachleuten ist das überhaupt keine Frage, der Vergleich liegt schließlich nahe. Evangelikale Christen bezeichnen sich selbst als bibeltreu, weil sie das Evangelium wörtlich leben wollen. Und Islamisten werden all jene Muslime genannt, die ihre Vorstellungen von Staat und Gesellschaft am Wortlaut des Korans ausrichten. In Abgrenzung zu anderen Christen und Muslimen, die das nicht tun, werden sie auch als - christliche oder muslimische - Fundamentalisten bezeichnet.
Klar, dass sich Evangelikale durch diese Bezeichnung und solche Vergleiche nicht geschmeichelt fühlen - vor allem, wenn sie bei Islamisten nur an terroristische Bombenleger denken. Und klar, dass sie sich nicht gern Verfassungsfeindlichkeit nachsagen lassen, wenn sie Homosexualität als Krankheit und andere Religionen als minderwertig betrachten. Klar also, dass sich große evangelikale Verbände über einen Artikel in einer Schülerzeitung (!), die von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wird, geärgert haben.
Doch mit ihren völlig überzogenen Forderungen, mit denen diese Verbände jetzt auf diese Veröffentlichung reagieren, geben sie allen Kritikern recht. Die Zeitschrift solle ihnen in ihrer kommenden Ausgabe ein Forum bieten, der Chef der Bundeszentrale, Thomas Krüger, gar zurücktreten. Ja, leben wir denn in einem Kirchenstaat? Auf einen marginalen Anlass reagieren sie mit maximaler Empörung. Damit werden sie ihrem Ruf gerecht, ein gebrochenes Verhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit zu besitzen - und bestätigen den Vorwurf der fundamentalistischen Intoleranz.
Unfassbar ist, dass die Bundeszentrale diese Eiferer nicht einfach abblitzen lässt. Sondern dass sich ihr Chef, Thomas Krüger, sogar bei ihnen entschuldigt und großes Entgegenkommen signalisiert, auf ihre Wünsche einzugehen. Der Fall zeigt, welchen großen Einfluss evangelikale Gruppen hierzulande bereits besitzen - und wie stark ihr Wille ist, diesen Einfluss weiter auszudehnen: in Staat, Politik und an den Schulen. Krügers Kotau kann sie da nur ermuntern.
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