Kommentar Chávez' Bruch mit der Farc: Aus Schaden klug geworden
Der Präsident Venezuelas hat einen richtigen Kurswechsel vorgenommen. Statt die Farc wie bislang zur Kriegspartei aufwerten zu wollen, wendet er sich nun von ihr ab.
Hugo Chávez muss gedämmert haben, wie sehr er sich außenpolitisch vergaloppiert hatte. Kürzlich war er, am Rande eines Gipfels, auf seinen kolumbianischen Gegenspieler Álvaro Uribe zugegangen. Nun hat er den bewaffneten Kampf der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) im Nachbarland Kolumbien für überholt erklärt und die Guerilla aufgefordert, alle Geiseln freizulassen.
Der Kurswechsel war überfällig. Denn Uribe hatte den linken Feuerkopf aufs Glatteis geführt, als er Chávez im August 2007 ein Vermittlungsmandat in Sachen Gefangenenaustausch erteilte, ohne selbst in der Sache Zugeständnisse zu machen. Dadurch zwang er Chávez und die Farc-Guerilla zur Annäherung, wie Dokumente auf den von Bogotá beschlagnahmten Farc-Computern belegen, während er seine Kontakte zu Kolumbiens ziviler Linken einfror. Als Uribe nach drei Monaten das Vermittlungsmandat des Venezolaners mit fadenscheinigen Gründen aufkündigte, reizte er ihn damit zur Konfrontation. Während die Guerilla in Kolumbien selbst politisch und militärisch immer weiter in die Enge getrieben wurde, forderte Chávez die Weltgemeinschaft im Januar auf, die Farc zur Kriegspartei aufzuwerten - ein folgenschwerer Irrtum, denn damit stand er alleine da.
Dass sich das Ziel eines geeinten und sozialen Südamerika nur unter Beteiligung Kolumbiens und im Frieden erreichen lässt, dass scheint Chávez schon länger klar zu sein. Nur müsste er auch danach handeln. Denn nur so kann er dazu beitragen, dass auch in Kolumbien die zivile Linke eines Tages an die Regierung kommt.
Die Farc hingegen spielten Washington in die Hände, wie Chávez neuerdings erkannt hat. Das tat er zuletzt allerdings auch immer häufiger selbst. So erklärte er sich erst nach lautstarken Protesten bereit, ein neues Gesetz nachzubessern, dass dem Geheimdienst weitreichende Befugnisse eingeräumt hätte. Seine beiden jüngsten Kurskorrekturen dürften auch mit den Regionalwahlen im November zu tun haben. Das zeigt erneut, wie wichtig ein Minimum an demokratischer Kontrolle für Venezuela bleibt.
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