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Kommentar Cem ÖzdemirDas Kind, das zu viel will

Kommentar von Georg Löwisch

Die Grünen im Ländle haben Özdemir ein Mandat im Bundestag verweigert. Das wird dem designierten Parteichef eine erfolgreiche Arbeit in der Bundeszentrale erschweren.

Man muss Cem Özdemir nicht mögen, um zu erkennen, dass die Grünen in Baden-Württemberg eine Dummheit begangen haben. Er soll die Partei führen, neben und hinter einem Haufen anderer Vorsitzender, Spitzenkandidaten und Fachschulzes. Für diese Aufgabe bekommt er jetzt noch ein Rucksäckle, auf dem geschrieben steht: "Zu Hause kann ich mich nicht durchsetzen." Die Dummheit ist so offenkundig, dass sie nicht weiter der Rede wert wäre, stünde hinter ihr nicht noch ein weiterer, ein struktureller Denkfehler.

Am Ende einer mühseligen Suche ist Özdemir der einzige halbwegs erfahrene Kandidat für den Parteivorsitz geblieben. Der Job ist unattraktiv. In der Berliner Parteizentrale am Neuen Tor sind die Mittel gering, ist der Stab so klein, dass Grüne in den Fraktionsräumen des Bundestags die Freunde mitunter "die arme Verwandtschaft" nennen. Allein mit schlauen Argumenten aber ist im Berliner Machtladen schlecht Politik zu machen. Ein Parteivorsitzender der Grünen hat viel weniger Aufgaben und Auftritte zu verteilen als ein Chef der Parlamentsfraktion. Die Koparteivorsitzende Claudia Roth ist als Abgeordnete zumindest in der Bundestagsfraktion verankert. Özdemir wollte das auch.

Das aber hat ihm die Basis verwehrt. Sie fand es auf dem Landesparteitag gut, das Führungsamt der Partei von einem Mandat fürs Parlament zu trennen. Schon bei anderen Parteitagen haben sich die Grünen-Delegierten für weitere Regeln der Machttrennung entschieden: Kein Parteichef soll je Fraktionschef sein, es soll zudem immer zwei von jeder Sorte geben. Die Dopplung der Doppelspitze aber ist - wenn überhaupt - nur dann eine schöne Idee, wenn die richtigen Personen bereit sind sie auszufüllen. Kurz: Jemand muss die Jobs machen und darin erfolgreich sein können. Dies war den Delegierten in Schwäbisch Gmünd egal. Sie bestehen darauf, einen lebendigen Parteitag abzuhalten, der nicht nur abnickt. Der Wunsch ist legitim, verhindert aber die Verwirklichung des anderen: die erfolgreiche Teilung von Macht.

So sitzt die Grünen-Basis da wie ein trotziges Kind. Es will unbedingt dienstags um drei zum Theaterkurs, und es will unbedingt dienstags um drei zum Fußball. Geht aber nicht. GEORG LÖWISCH

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1 Kommentar

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  • WG
    Wolfgang G. Wettach

    An dieser wie an anderer Stelle möchte ich als Teilnehmer der Landesdelegiertenkonferenz etwas richtig stellen: Nicht die Delegierten haben Özdemir gedemütigt, sondern Cem Özdemir hat einfach gegen zwei aktive Bundestagsabgeordnete verloren, die wir weiter im Bundestag sehen wollen: den "linken" Winne Hermann und den "rechten" Alex Bonde, der als Landesgruppenchef und Haushaltspolitiker einen guten Job mit viel Einsatz macht, auch wenn er in Fragen des Afghanistan-Einsatzes bekanntermassen eine andere Meinung hat als ich (oder als die Mehrheit des Parteitags).

     

    Es war kein 'Linksruck', es war kein 'Abstrafen' - er hat sich einfach verkalkuliert oder besser: er wurde falsch beraten. Wie andere auch habe ich ihm gesagt die Kandidatur für den Bundestag misslingen könnte - wegen der anderen Kandidaten und weil viele der Meinung sind es müsste nicht das Mandat und der Vorsitz sein. Wie andere auch habe ich ihm schon vor den Wahlen gesagt, als Vorsitzender hätte er meine volle parteisolidarische Unterstützung. Als Kandidat dagegen ist er den gleichen Regeln unterwegs wie alle anderen KandidatInnen - und das heisst eine Rede die nicht überzeugt weil er wichtige Fragen nicht gut beantwortet ("glaubst du, Reinhard Bütikofer war ein schwacher Vorsitzender weil er kein Bunestagsmandat hatte?" - "Nein aber ich will eines"), drückt sich im Wahlergebnis aus.

     

    Mit Rassismus, wie manche jetzt meinen, hat das absolut nichts zu tun, sowenig wie mit Neid auf einen 'Promi' - auch wenn meine Kandidatur für das Europaparlament, bei der auch ich mit meiner Rede wie Cem Özdemir nicht genügend überzeugte, weniger Medienecho fand. Mehmet Kilic wurde im Anschluss als Kandidat bei viel Konkurrenz gewählt, und fast die ganze Partei drückte den Wunsch aus, dass Cem als Bundesvorsitzender weiter antritt, so wie die Landesvorsitzende Petra Selg, die auch kein Mandat aber stehenden Applaus erhielt, von mir angefangen im ganzen Saal, für ihr weitermachen als Landesvorsitzende.

     

    Das Medienecho greift also zu kurz - und die Theorien zur Erklärung (hier und in anderen Kommentaren) auch. Kein Kandidat verliert gern, aber gegen Amtsinhaber ist das nicht völlig unerklärlich und hat auch mit bewusster Demütigung einzelner absolut nichts zu tun.